Maulkorb für irische Feministinnen

■ Über Abtreibungen zu informieren, gilt in Irland als Verstoß gegen die Verfassung

„Wir wollen keine Gesetze brechen. Wir haben auch keine Lust, ins Gefängnis zu gehen. Aber wir wollen den Studenten und Frauen aus anderen Bevölkerungsgruppen, die zu uns kommen, die Informationen geben, die sie verlangen“, sagt Karen Quinlivan, die Frauenbeauftragte der irischen Studentenvereinigung USI. Karen und 13 weitere Vertreterinnen von USI vom Trinity College Dublin und vom University College Dublin wird vorgeworfen, gegen die irische Verfassung verstoßen zu haben. Informationsverbot

Ihr Vergehen: Sie informieren über Möglichkeiten, im nahen England unerwünschte Schwangerschaften abzubrechen. Doch dieser Service erzürnt viele Katholiken und besonders die Mitglieder von S.P.U.C. (Society for the Protection of the Unborn Child). Die einflußreiche und finanzstarke Gesellschaft zum „Schutz des ungeborenen Lebens“ erstritt eine einstweilige Verfügung gegen die studentischen Publikationen, die zu Beginn des Wintersemesters an die Studienanfänger verteilt wurden. Bereits die Verteilung von Informationen über Schwangerschaftsabbrüche im Ausland verstoße gegen die irische Verfassung, argumentieren die selbsternannten Lebensschützer. Sie berufen sich dabei auf die sogenannte Pro-Life-Ergänzung, die 1984 nach einer Volksabstimmung in die Verfassung aufgenommen wurde. Danach darf das Recht auf Leben einer schwangeren Frau nicht dem Recht auf Leben ihres ungeborenen Kindes übergeordnet werden. Doch die StudentInnen argumentieren, daß das absolute Nein zum Schwangerschaftsabbruch nicht gleich auch ein absolutes Informationsverbot bedeute.

Verfassung hin, Verfassung her, jährlich reisen mindestens 4.000 irische Frauen zur Abtreibung in englische Kliniken. Während die irische Mittelschichtsfrau und die Studentin oft auch alleine ihren Weg nach England finden, sind Arbeiterfrauen oft ratlos. Sie wenden sich mit ihren Fragen an die Studentinnen. Denn weder Ärzte noch Kliniken geben die gewünschten Informationen weiter. Die feministische Gruppe „Women's Right to Information“ wird in ihrer Arbeit behindert, und die Medien üben Selbstzensur aus.

Dem Dubliner Frauengesundheitszentrum wurde die Beratung und Weitervermittlung von abtreibungswilligen Frauen gerichtlich verboten. Die Abtreibungsgegner schleusten eine angeblich verzweifelte Schwangere ins Frauengesundheitszentrum, um deren Beratungspraxis zu testen. Als nachgewiesen werden konnte, daß die Feministinnen sich nicht an das staatliche Informationsverbot hielten, ging S.P.U.C. vor Gericht. Das Frauenzentrum verlor zwei Gerichtsprozesse und mußte 71.000 irische Pfund, rund 210.000 DM, zahlen. Klage vor EG-Gerichtshof

Das Frauengesundheitszentrum wird demnächst vor dem Europäischen Gerichtshof in Straßburg klagen. Die Feministinnen wollen mit Hilfe der Straßburger RichterInnen das Informationsverbot kippen. Sie setzen ihre Hoffnungen auf die liberalere Gesetzgebung in anderen EG-Ländern und treiben den Streit juristisch voran.

Die Studenten und Studentinnen dagegen wollen eine breite politische Debatte im eigenen Land entfachen. Deshalb setzen sie sich über die Zensur hinweg und drucken die umstrittenen Hinweise in ihren Handbüchern für StudienanfängerInnen. „Selbst wenn wir ins Gefängnis müssen, haben wir noch die Namen von 20 bis 30 anderen Studenten, die bereit sind weiterzumachen, so daß die Informationen immer verfügbar sind“, sagt Ivana Bacik, die Vorsitzende der Studentenvereinigung vom Trinity College. „Wir wollen eine Situation schaffen, in der es für die Regierung peinlicher ist, Studenten ins Gefängnis zu schicken, als die Information über Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren.“

Anette Dötsch

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