Gewerkschaften wollen Mitbestimmung in der EG

■ Erste europaweite Arbeiterdemo fordert verbindliche Sozialcharta

Brüssel (taz/afp) - Zum ersten Mal versammelten sich ArbeiterInnen aus allen Ländern der Europäischen Gemeinschaft in Brüssel, um gemeinsam für ihre Rechte einzutreten. Rund 17.000 GewerkschafterInnen waren am Mittwoch zu der Kundgebung unter dem Motto „Für ein soziales Europa“ angereist. Ein Novum in der Gewerkschaftsgeschichte war auch die vorangegangene Konferenz in Ostende, bei der 800 BetriebsrätInnen aus ganz Westeuropa Fragen der Mitbestimmung und der Arbeitsbedingungen im Binnenmarkt diskutierten.

Wesentlicher Bestandteil der Debatte war die Frage der Verbindlichkeit einer Sozialcharta. Der Vorsitzende des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB), Ernst Breit, forderte die Gemeinschaft auf, über die Sozialcharta hinaus bis Ende des Jahres ein Aktionsprogramm zu verabschieden, das aus feierlichen Erklärungen handfeste Rechte mache. „Wir wollen keinen gemeinsamen Markt, der den Unternehmen die Möglichkeit bietet, sich über die Grenzen hinweg zusammenzuschließen, während für die gewählten Vertreter der Beschäftigten die alten Schlagbäume weiterbestehen“, sagte Breit. Eine europäische Aktiengesellschaft sei ohne europäische Betriebsräte nicht machbar.

Bündnisparter für solche Forderungen sind in Brüssel allerdings rar gesät. Der französische Arbeitsminister Soisson, dessen Land gegenwärtig den Vorsitz im Ministerrat führt, wollte sich nicht festlegen. Im Gespräch mit dem Präsidenten der EG-Kommission, Delors, stellte eine EGB -Delegation am Mittwoch fest, daß das soziale Europa dem Präsidenten weniger wichtig ist als Wirtschafts- und Währungseinheit.

Bleibt als einzige EG-Institution das Europäische Parlament, denn die Mehrheit der Abgeordneten, darunter auch die EVP-Fraktion, der die christdemokratischen Parteien angehören, stellt sich hinter die Gewerkschaftsforderung.

Hortense Hörburger