Bürgermeister von Rot-Grün-Gelben Gnaden

■ In drei nordrhein-westfälischen Städten haben „Ampelkoalitionen“ Bürgermeister der SPD gewählt / Grüne und FDP betonen Unverbindlichkeit der Wahlabsprachen in Sachfragen / Essens Oberbürgermeister von den eigenen Genossen gekippt

Essen (taz) - Noch ist nicht einzuschätzen, wie tragfähig die „Ampelkoalitionen“ sein werden, die nach den Kommunalwahlen am 1. Oktober in vier nordrhein-westfälischen Städten gebildet worden sind. In Iserlohn, Pulheim und in Bergisch-Gladbach wurden mit den Stimmen von SPD, Grünen und FDP bereits SPD-Bürgermeister gewählt, in Meerbusch ist in den letzten Tagen ein entsprechendes Wahlbündnis vereinbart worden.

Obwohl der FDP-Landesvorsitzende Jürgen Möllemann vor den Kommunalwahlen getönt hatte, nirgendwo im Land dürfe „gehampelt und geampelt werden“, versicherte ein Sprecher der Landes-FDP gestern, der Vorsitzende werde nicht, „wie Herr Blüm anreisen“, um den Liberalen vor Ort die Zusammenarbeit mit Grünen zu verbieten. In Bergisch -Gladbach, Iserlohn und Meerbusch beeilten sich FDP -VertreterInnen zu versichern, daß „in Sachfragen noch keine dauerhaften Vereinbarungen“ mit Roten und Grünen existieren. In Pulheim bilden SPD und FDP eine Koalition, die auf die Tolerierung durch die Grünen angewiesen ist. Die wiederum haben nur mit der SPD verhandelt und streben, so ihr Fraktionssprecher, „keine Einigung auf Biegen und Brechen“ an.

In den „Ampel„städten ging es in erster Linie darum, langjährige CDU-Mehrheiten zu brechen, in Bergisch-Gladbach stellte die CDU seit Kriegsende den Bürgermeister. Die Grünen setzten sich bei den Wahlabsprachen mit Forderungen nach einem Umweltausschuß (Meerbusch), erweiterten Zuständigkeiten für Umweltpolitik und der Einrichtung eines Umweltamtes (Bergisch-Gladbach) durch. Erst an den Haushaltsvereinbarungen wird sich zeigen, ob die Ampelkoalitionen halten, wechselnde Mehrheiten sind nicht unwahrscheinlich.

Für den CDU-Landesvorsitzenden Blüm, der nach dem Unvereinbarkeitsbeschluß seiner Partei in der vergangenen Woche persönlich, aber erfolglos versucht hatte, ein schwarz -grünes Bündnis in Hückeswagen zu verhindern, gibt es Anlaß zur Klage. In Neukirchen-Vluyn wurde am Mittwochabend eine CDU-Bürgermeisterin mit den Stimmen von FDP und Grünen gewählt, eine ganz neue, bisher einmalige Variante. Auch in Neukirchen hatte der CDU-Landesverband bis zum letzten Moment versucht, die neue Farbenlehre zu verhindern.

Chaos bei Essener SPD

In Essen hat die SPD unterdessen ihr vorläufig letztes Stadium im Selbstzerfleischungsprozeß erreicht. Acht GenossInnen stimmten bei der Oberbürgermeisterwahl gegen den eigenen Kandidaten, davon jeweils zwei für die von Grünen und CDU. OB-Kandidat Reuschenbach (SPD) nahm seine Wahl nicht an. Oberbürgermeisterin wurde die weithin unbekannte Anette Jäger (SPD), die beiden Stellvertreterposten gingen an die CDU. Das Showdown bei der OB-Wahl geht auf einen langen innerparteilichen Krieg zwischen Reuschenbach und dem SPD-Vorsitzenden Drewel zurück, der nur während des Wahlkampfes unter der Decke gehalten worden war.

B. Markmeyer