Deutscher Giftmüll soll nach Israel

Umstrittenes Projekt in der Wüste Negev / Protest in Israel / Bundesdeutscher Vertragspartner großer Unbekannter  ■  Von Wollin & Kriener

Jerusalem/Berlin (taz) - Die geplante Einfuhr von bundesdeutschen Chemieabfällen sorgt in Israel für Empörung und Proteste. Die Gewerkschaftszeitung 'Davar‘ hatte enthüllt, daß der staatliche Konzern „Israel Chemicals Limited“ (ICL) einen Vertrag mit einem ungenannten bundesdeutschen Chemieunternehmen unterzeichnet hat, wonach 100.000 Tonnen giftige Abfallstoffe aus der Bundesrepublik nach Eilat verschifft und in den früheren Timna-Kupferminen im Wüstengebiet des Negevs ihre letzte Ruhestätte finden sollen.

ICL will in Timna ein Recyclingwerk bauen, um Aluminium und Kieselsäure aus den bundesdeutschen Abfällen zu gewinnen angeblich 7.000 Tonnen im Jahr. Der frühere Knesset -Abgeordnete Josef Tamir von der ökologischen Gesellschaft „Leben und Umwelt“ bezeichnete das Projekt als „fantastisch skandalös“. Nach Tamirs Fortsetzung auf Seite 10

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Einschätzung sind die 100.000 Tonnen nur der Anfang. Offenbar sei ein Giftmüllimport im großen Stil geplant. Tamir: „Material, das von keinem anderen Land der Welt übernommen wird“, solle in „enormen Quantitäten“ in den Negev transportiert werden. Dies sei ein „anti-nationaler und anti-ökologischer Vorgang, ganz abgesehen von den Gefühlen, die mit giftigen Abfallstoffen aus einem Land wie Deutschland verbunden sind“.

Das israelische Gesundheitsministerium hat keine Bedenken gegen das Projekt. Voraussetzung seien detaillierte Laborberichte über die Zusammensetzung der Abfälle. Auch eine spezielle Umgehungsstraße nach Timna wird gefordert. Umweltminister Ronnie Milo allerdings hält dagegen: „Wir wollen doch nicht zum Mülleimer für einen anderen Staat werden.“ Doch während Milo gegen das Müllgeschäft wettert, versichert Josef Tamir, daß Industrieminister Scharon und Finanzminister Peres das Projekt unterstützen. Peres soll es sogar in die Liste der „100 bevorzugten Vorhaben“ aufgenommen haben.

Probleme gibt es noch mit der geforderten Umgehungsstraße für den Transport der Chemieabfälle. ICL

will unter dieser Bedingung lieber auf den Bau des Recyclingwerkes verzichten. In diesem Fall, so berichtet die 'Jerusalem-Post‘, würden die Deutschen eventuell selbst die Anlage bauen. Wegen der in Israel lascheren Umweltauflagen koste der Bau nur acht statt 30-40 Millionen Dollar in der BRD.

In Bonn sind Details über das Giftmüllgeschäft nicht bekannt. Die Chemieindustrie hat offenbar im Alleingang verhandelt. Dem Bonner Umweltministerium wurde der Vorgang erst gestern durch einen Bericht des Botschafters bekannt, der entsprechende Zeitungsausschnitte nach Bonn sandte. Dort wurde nach taz-Informationen inzwischen das Auswärtige Amt eingeschaltet. Genschers Behörde soll recherchieren, um welche bundesdeutsche Firma es sich überhaupt handelt. Auch die Botschaft in Israel wurde von Umweltminister Töpfer angewiesen, bei den Behörden vorstellig zu werden, um nähere Informationen zu erhalten.

Nachfragen bei den Länderbehörden ergaben, daß der Vorgang unbekannt sei und keine Ausfuhrgenehmigungen erteilt wurden. Das besagt allerdings wenig: Da es sich bei recycelbaren Abfällen um „Wirtschaftsgüter“ handelt, sind sie - anders als sonstige Chemieabfälle - nicht genehmigungspflichtig, sondern Bestandteil der Grauzone.