Studenten im Revier: Pendlerschicksal

■ Im Umland zu wohnen schafft ein neues Problem: Parkplatznot / ASten werden zu Schlafplatzvermittlern / Wohnungsleerstand angeprangert / Protestaktion bei Semesterbeginn noch unterentwickelt

Essen (taz) - „Dortmund ist dicht“, sagt Andreas Singendonk vom AStA. Das frühmorgendliche Aufstehen zwecks Zeitungskauf, Telefonzellenbesetzung und ergebenem Plausch mit potentiellen VermieterInnen können sich StudentInnen in der Westfalenmetropole sparen.

Der Wohnungsmarkt ist leergefegt, allein 2.000 Namen stehen auf der Warteliste für 1.700 Wohnheimplätze und 600 Sozialwohnungen, die das Studentenwerk zu vergeben hat. Und seit Semesteranfang kommen täglich 20 dazu. „Unter zwei Jahren Wartezeit“, heißt es im Studentenwerk, „ist da nichts zu wollen.“ Der AStA macht in Schlafplatzvermittlung. Ganze acht Notbetten stehen im Gemeinschaftsraum eines Wohnheims. „Die meisten“, so Singendonk, „versuchen lieber bei Bekannten oder Verwandten unterzukriechen.“

Das gleiche Bild in Bochum mit der größten Uni im Revier, an der zum neuen Semester 37.000 StudentInnen eingeschrieben sind. Vorsorglich hatte der AStA Anfang Oktober drei Seminarräume im Sportinstitut zu Notbettensälen umfunktionieren lassen. Die jedoch räumte die Univerwaltung zum Semesteranfang diese Woche wieder aus, sie sollen renoviert werden. „Jetzt müssen wir bis zu 20 Schlafplätze täglich vermitteln“, rechnet AStA-Wohnungsreferentin Gritly Rößler. Einen Wohnheimplatz gibt es für Erstsemester erst mit dem Abschluß des Grundstudiums. „Am härtesten trifft das die ausländischen Studenten“, sagt Gritly. „Sie kennen hier niemanden und werden, wenn es überhaupt noch was zu vermieten gibt, von den meisten Vermietern abgelehnt.“

In den beiden Ruhrgebietsstädten Essen und Duisburg mit kleineren Unis sieht es etwas besser aus. Hier konnten es sich StudentInnen bis vor einem Jahr noch leisten, die öden Studentensilos links liegen zu lassen und statt dessen den Immobilienteil der 'WAZ‘ zu studieren. Seitdem aber darin, frei nach der Devise „Sekt oder Selters“, nur noch Unbezahlbares oder gar nichts mehr zu finden ist, sind die Wohnheime ausgebucht und die Wartelisten länger geworden.

50 Wohnungen vermittelte der Essener AStA in den letzten beiden Monaten durch eigene Suchanzeigen. In Duisburg befaßt sich die verfaßte Studentenschaft mit einem Folgeproblem, dem katastrophalen Parkraummangel.

Die studentische Wohnungsnot wird in den Revier-Unistädten durch einen hohen Anteil akademischer PendlerInnen (zwischen 50 und 70 Prozent) auf andere Ruhrstädte verlagert. Das trifft wegen ihres bei geringerem Fächerangebot kleineren Einzugsgebietes vor allem für Essen und Duisburg zu. Die Studis wohnen, von Datteln bis Gelsenkirchen, überall im Revier und verlängern die täglichen Staus auf den Ruhrautobahnen.

Unterdessen hat man dort, wo die Not am größten ist, bereits ein kritisches Auge auf unvermietete Objekte geworfen. Von 80 leerstehenden Häusern in Dortmund wisse man allein beim AStA, meint Andreas Singendonk. Der Bochumer Mieterverein hat bei der Stadtverwaltung eine Liste mit 229 leerstehenden Wohnungen eingereicht. Nach einer „ersten Überprüfung“, so die Stadt, würden jetzt die Erklärungen von 73 HausbesitzerInnen zur Nichtvermietung „eingehender geprüft“.

Dazu war im Wissenschaftsministerium zu erfahren, daß die Landesregierung über das Programm „Wohnraum auf Zeit“ 11 Millionen Mark für 1989 und 1990 bereitgestellt hat, mit denen Studentenbuden bezugsfertig gemacht werden sollen. Der Haken: 9 Millionen sind bereits für die Renovierung von Wohnheimen verplant, bleibt also nur gut eine Million für zusätzlichen studentischen Wohnraum. Wenn allerdings mehr Zuschußanträge gestellt würden, so Ministeriumssprecher Schmidt, werde man „eine Finanzierung aus anderen Töpfen“ ermöglichen.

Derzeit allerdings fehlt es an Druck auf das Ministerium. Zu einer einschlägigen Veranstaltung an der Uni Dortmund erschienen letzte Woche gerade 35 InteressentInnen. „Die anderen sind wohl alle auf Wohnungssuche“, witzelte Andreas Singendonk angesichts des spärlich besetzten Hörsaals.

Bettina Markmeyer