Zwei Prachtexemplare der verschiedenen Art

■ Pressevorführung von „Ekkehard“ (Vorabendserie) und „Ein Prachtexemplar“ (Fernsehspiel), zwei neue Produktionen von Radio Bremen

Es gibt sie eben doch noch bei Radio Bremen: die Redaktionen, in denen Fernsehsendungen produziert werden, von denen der Ruf der ganzen Anstalt zehrt: das Fernsehspiel und die Vorabendserien. Eingeschnürt zwischen drastischen Sparmaßnahmen bei Radio Bremen und ARD-weiten, neuen Programmstrukturen zur Vorabendzeit wird von diesen Redaktionen dennoch weiterhin ein Programm gemacht, vor dem sich große, finanzkräftige Anstalten verstecken müßten. Zwei neue Produktionen wurden am Donnerstag im Sender vorgestellt: Die sechsteilige Vorabendserie „Ekkehard“, von Diethard Klante (Buch und Regie) nach Victor von Scheffels vor tausend Jahren geschriebenem Mittelalter-Roman gedreht, und ein Fernsehspiel von Bruno Jonas (Regie/Buch) und Jürgen Breest (Buch), das während der Dreharbeiten „Die Jugendstilvase“ hieß und jetzt in „Ein Prachtexemplar“ umbenannt worden ist.

„Ekkehard“ startet im Bremer Vorabendprogramm am 24. November um 17.53 (zuvor wird, um 17.28, eine Dokumentation der Dreharbeiten in Ungarn, Bulgarien und Frankreich gezeigt: „Ekkehard - ein Film entsteht“). Jede Folge ist 50 Minuten lang - eine dramaturgisch notwendige und richtige Entscheidung, die aber zur Konsequenz hat, daß andere ARD -Anstalten vorläufig die Serie nicht übernehmen, denn 50 -Minuten-Vorabendserien sind out - es sei denn, sie wären auf

mindestens zehn Folgen konzipiert. In sind nach der neuen Vorabendplanung 25-Minuten-Serien oder die 50 -minütigen Endlosserien aus USA, denn ARD-Programmpolitik orientiert sich nun mal kleinmütig und defensiv am Konkurrenten ZDF, der mit seinen maschinell ausgestoßenen Feld-, Wald und Försterwiesen-Serien die Einschaltquoten absahnt. Dagegen also - und das ist als respektvolle Anerkennung zu verstehen - ein Fossil wie „Ekkehard“, die Geschichte eines mittelalterlichen Mönchs und seines dramatischen Erwachsenwerdens - eine Geschichte, die überhaupt nichts Altes oder Angestaubtes hat und die in so unendlich schönen, schwermütigen, leidenschaftlichen Bildern erzählt wird, daß man sich wie benommen ganz langsam nur von dieser Suggestionskraft löst. Unwirklich-wirklich ist „Ekkehard“ inszeniert, gedreht in Landschaften, die so gewalttätig wie verzaubert wirken, und selten wird man im Fernsehen, dem Medium moderner, glatter Beziehungskisten, von einer Liebesgeschichte so gepackt wie von der dunklen, begehrenden, verbotenen zwischen Ekkehard, dem Mönch (Gabriel Barylli), und Hadwiga, der bildschönen, sinnlichen Zdena Studenkova. Wer also erleben will, was Vorabendfernsehen auch sein kann, darf „Ekkehard“ nicht versäumen.

„Ein Prachtexemplar“, am 20. Dezember um 20.15 in der ARD, ist ganz was anderes: eine Komödie

im Krankenhaus-Milieu, gewissermaßen die hinterfotzige Antwort auf die „Schwarzwaldklinik“. Es ist Bruno Jonas‘ erste Regie (er selbst spielt übrigens nicht mit), und erstaunlicherweise ist dieses Fernsehspiel keine kabarettistische Nummern-Revue geworden, sondern eine komödiantisch erzählte Geschichte von Stellen -Erschleicherei, chefärztlicher Selbstgefälligkeit, klinischem Geschlamp und Antiquitäten-Preistreiberei - alles dramaturgisch schön übersichtlich entwickelt, wenn auch im Ganzen etwas behäbig, bieder und manchmal schwergesäßig inszeniert.

Bei „Ekkehard“ kann sich das Fernsehpublikum auf etwas fremd-Faszinierendes, düster-Leidenschaftliches freuen beim „Prachtexemplar“ auf Witziges und Wohlbekanntes: Die halbe buten & binnen-Mannschaft ist in Statisten-oder kleinen Sprechrollen zu sehen, in der St.

Jürgen-Klinik wurde gedreht - auch auf Galla gibt's einen Seitenhieb -, und Dr. Bartels, der Opportunist aus Dösigkeit, besäuft

sich im Filz, wo sich halb Radio Bremen am Tresen trifft - Lokalbezug also im wahrsten Sinn des Wortes. Das Jonas -Fernsehspiel

ist vergnüglich-durchdachte Unterhaltung. Und davon haben wir ja nie genug.

Sybille Simon-Zülch