Steintor: Unser Dorf soll schöner werden

■ Anlieger fühlen sich von Senat und Viertelbürgermeister „für dumm verkauft“ / Initiativen: Fußgängerzone sorgt nur für mehr Autoverkehr

Es herrscht Aufregung im Stein-und Ostertor. Seit Jahren kämpfen Anwohnerkomitees und Straßeninitiativen hier für weniger Lärm und Verkehr, mehr Spielplätze und Grünanlagen. Mit einem umfangreichen Verkehrsberuhigungskonzept reagiert der Senat jetzt. Den Anwohnern paßt trotzdem die ganze Richtung nicht.

Im Rahmen des Bremer Gesamtkonzepts für den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs soll in den 90er Jahren der gesamte MIV (Motorisierte Individualverkehr)

im Ostertorsteinweg und „Vor dem Steintor“ verschwinden und einer „fußgängerähnlichen Zone“ Platz machen. Wie genau? Das weiß angeblich bislang nicht einmal der oberste Koordinator des ÖPNV-Konzepts, Ex-Senatdirektor Hans Jürgen Kahrs. Kahrs gegenüber der taz: „Wir verhandeln derzeit mit mehreren Grundstückseignern. Konkrete Pläne können wir erst vorlegen, wenn wir wissen, über welche Grundstücke wir verfügen.“ Klar scheint im Senat nur so viel: Obwohl die Verkehrsberuhigungs

maßnahmen Osteror/Steintor im ÖPNV-Konzept offiziell noch „mittelfristig“ geplant sind, soll jetzt Tempo gemacht werden. Rechtzeitig zum Bürgerschaftswahlkampf 91 soll das Viertel „verkehrsberuhigt“ sein.

Auch wenn die Planer bislang keine Ahnung haben, wie - am Urteil der AnwohnerInnen ändert das überhaupt nichts. Sie wissen auch so schon, was sie von den Plänen der Verkehrsberuhiger halten - nämlich gar nichts.

Auf 10 Seiten schrieb jetzt die Anwohnerinitiative Friesen

straße mit dem Vermerk „Eilt!“ auf, warum sie sich von Kahrs, Kunick und Konsorten „nicht mehr für dumm verkaufen lassen“ wollen. Einmal beim Dampf-Ablassen, kriegte auch Viertelbürgermeister Dietrich „Hucky“ Heck sein Fett mit ab. Auch von Ortsamtsleiter und Beirat fühlen sich die AnliegerInnen über die bisherigen Planungen „nicht ausreichend informiert hingehalten und einfach vergessen.“

Übergangen und geleimt fühlt sich auch die Anwohnerinitiative Humboldtstraße: Unter der Überschrift „Alarm“ vermeldet sie „verheimlichte“ Pläne für ein Großparkhaus an der Hornerstraße, für das das Grundstück „offenbar bereits gekauft“ sei. Schlußfolgerung der AnwohnerInnen: Die Bevölkerung sei „durch das offizielle Gerede von Verkehrsberuhigung nur abgelenkt und getäuscht“ worden.

Im Gegensatz zu ÖPNV-Koordinator Kahrs glauben auch die Anwohner der Friesenstraße schon ganz genau zu wissen, was sich Baubehörde und Kahrs für sie ausgedacht haben: Drei „Parkierungsanlagen“ mitten im Viertel, darunter ein Park -Hochhaus für 500 bis 700 PKW's direkt an der Ecke Horner Straße/Friesenstraße auf dem Gelände der Herforder Brauerei. Weiterhin als Parkflächen sind nach „geheimen“ Informationen der Anwohner der Hubschrauber Landeplatz des St.-Jürgen -Krankenhauses und ein Grundstück an der Lübec

ker Straße vorgesehen.

ÖPNV-Senats-Koordinator Kahrs versicherte gegenüber der taz zwar, bislang seien weder „Großparkhäuser“ geplant noch Grundstücke dafür gekauft - einer gewissen Logik entbehren die Befürchtungen der Initiativen dennoch nicht: Wenn fahrende und parkende Autos aus dem Steintor verschwinden sollen - so schließen die Anwohner messerscharf - müssen sie doch irgendwo anders bleiben! Frage: Wo? Antwort: Egal, aber nicht bei uns!

Ihre Befürchtung: Statt weniger Verkehr im Viertel locken die Parkhäuser mehr Autos an, statt weniger Freier rund ums Steintor wird es mehr geben, am Ende werden neben „ortsansässigen Prostituierten“ auch nochbutenbremische im Steintor Arbeitsplätze suchen und während der „Geschäftszeiten“ ihr Auto in den neuen Parkhäusern abstellen. Alternative der AnwohnerInnen:

Alle Autos raus dem Viertel, ausgenommen die eigenen, versteht sich!

Nicht mal Tiefgaragen exklusiv für Anwohner wollen die Anwohner Begründung: „Jedes Anwohnerauto auf einem 'Anwohnerparkplatz‘ würde einen Parkplatz freimachen und Parkplatzsucher ins Viertel locken.“ Von den Beiratsmitgliedern erwarten die Anlieger „diese Planungen einer fußgängerähnlichen Umgestaltung mit Parkierungsanlagen auf keinen Fall zuzulassen“.

Ganz ernst kann offensichtlich selbst Ortsamtsleiter Heck solche Vorschläge nicht mehr nehmen: „Mit dem Dorf 'Steintor‘ mitten in der Großstadt Bremen können wir nicht dienen. Den Wunsch nach Wildwechsel auf dem Osterdeich können wir leider nicht erfüllen.“ Am Montag und Dienstag werden sich die Beiräte erstmals mit den Plänen für die Fußgängerzone „Ostertor/Vor dem Steintor“ beschäftigen.

K.S.