Rebmann trotz Schwenker weiter auf Kurs

Nach Druck aus dem Sicherheitsapparat revidierte der Generalbundesanwalt seine These vom „Hungerstreik als terroristisches Kampfmittel“ / Im letzten Amtsjahr muß der Chef der obersten Fahndungsbehörde noch schwere Schlappen einstecken / BAW beschwört jetzt „Gefährdungspotential ausländischer Terroristen“  ■  Von Maria Kniesburges

In seinem dreizehnten und voraussichtlich letzten Amtsjahr hat der Generalbundesanwalt Kurt Rebmann einen rasanten Schwenker vollzogen. Allerdings nicht ganz dank eigener Antriebskraft. Vielmehr hatte es dazu eines konzertierten Drucks von kompetenter Seite bedurft: Keine geringeren Instanzen als der Verfassungsschutz, das Bundesjustizministerium und nicht zuletzt auch der Bundesgerichtshof haben die bemerkenswerte Kehrtwende des Chefs der obersten Fahndungsbehörde der Republik in Schwung gebracht.

Hatte Rebmann noch während des letzten Hungerstreiks der Gefangenen aus der RAF im Frühjahr dieses Jahres auf das erbittertste an seiner alten These festgehalten, der Hungerstreik ziele vor allem auf die „Stärkung des terroristischen Gewaltpotentials“, und hatte er noch zu Beginn des Hungerstreiks eben dieser seiner Logik folgend gegen die hungerstreikenden Gefangenen Ermittlungsverfahren nach §129a eingeleitet, so überraschte er unlängst durch ganz neue Töne.

Vor der versammelten Presse auf seiner halbjährlich stattfindenden Pressekonferenz gestand Rebmann eine Fehleinschätzung seiner doch stets als unfehlbar gepriesenen Behörde, der Bundesanwaltschaft (BAW), ein. Das hat es in seiner bisherigen Amtszeit noch nie gegeben. „Nach und nach“, so ließ Rebmann das staunende Auditorium wissen, sei seiner Behörde deutlich geworden, daß der Hungerstreik „keine abgestimmte Aktion zwischen den Gefangenen, den Kommandos und den kämpfenden Einheiten der RAF“ gewesen sei. Die 129a-Verfahren gegen die Gefangenen, so stellte der Generalbundesanwalt in Aussicht, würden demnächst eingestellt. Insgesamt, so der oberste Fahnder der Republik weiter, bewerte man die RAF als „nicht mehr so gefährlich wie früher“. Man gehe vielmehr jetzt davon aus, daß im harten Kern der RAF „ein Prozeß der ideologischen und strategischen Umorientierung“ stattfinde.

Ein „im Wachsen begriffenes Gefährdungspotential“ macht der Generalbundesanwalt dagegen durch „ausländische Terrorgruppen“ aus, so durch die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK) sowie durch die „Irisch Republikanische Armee“ (IRA). Insbesondere auf die PKK konzentriert Rebmann derzeit seine Fahndungsenergie - und verleiht dabei dem Gesinnungsparagraphen 129a bisher noch ungeahnte internationale Dimensionen. Die Ermittlungsverfahren gegen die Gefangenen aus Anlaß des Hungerstreiks sind allerdings noch immer nicht eingestellt worden, wie BAW-Sprecher Foerster zugeben mußte.

Schon Wochen vor Rebmanns öffentlicher Rücknahme seiner bis dato felsenfesten Hardliner-Position hatte der Bundesgerichtshof (BGH) der Rebmann-Behörde eine unzweideutige Rüge erteilt: Bereits im Juni hatte der BGH in zwei Fällen befunden, daß die Teilnahme der Gefangenen an einem Hungerstreik keine Straftat darstelle und damit dem Versuch eines neuerlichen 129a-Durchmarschs der BAW gegen die Gefangenen einen Bremsklotz in den Weg geworfen.

Rebmann auf Linie gebracht

Und nicht nur der BGH stellte sich im Zusammenhang mit dem Hungerstreik gegen das seit Jahr und Tag bekannte Handlungsrepertoire aus dem Hause Rebmann. Im Sicherheitsapparat, bis hinauf ins Bundesjustizministerium, hat es herbe gekracht, bis es soweit war, daß der Generalbundesanwalt erklärte, seine Behörde sei „nach und nach“ zu neuen Einsichten gelangt. „Der Mann wurde auf Linie gebracht“, formuliert es ein altgedienter Mitarbeiter aus dem Apparat. Dabei kam es sogar zu einer öffentlichen Präsentation massiver Unstimmigkeiten im Apparat, die es in dieser Weise bislang noch nicht gegeben hatte: Während nur wenige Wochen nach Beginn des Hungerstreiks ein Vorschlag des Verfassungsschutzchefs Gerhard Boeden zur Zusammenlegung der Hungerstreikenden in Gruppen von bis zu sieben Gefangenen bekannt wurde, beauftragte Rebmann seine Beamten mit der Erstellung einer „Dokumentation“ zu den Haftbedingungen, in der versucht wurde, durch minutiöses Aufzählen auch jeden Radios in den Hochsicherheitstrakten der massiven Kritik an den Sonderhaftbedingungen den Wind aus den Segeln zu nehmen und den Ist-Zustand zu legitimieren. Dabei wurden dann sogar die Beschwerden über Postanhalteverfügungen unter der Rubrik „rege Außenkontakte“ als Briefkontakte der Gefangenen mitgezählt.

Und dieser seiner Rührigkeit, mit der er sich nicht nur in Unstimmigkeit mit der Verfassungsschutz-Strategie begab, hat Rebmann auch den Verlust seiner langjährigen treuen „zweiten Stimme“, seines Ex-Chefsprechers Prechtel, zu danken. Knall auf Fall hatte Prechtel noch während des Hungerstreiks seinen Schreibtisch räumen müssen - auf Weisung aus dem Bundesjustizministerium und gegen den Protest Rebmanns. Kein Wunder, war Prechtel doch während seiner Amtszeit niemals auch nur ein Wort über die Lippen gekommen, das die Kreise seines Dienstherrn hätte stören können.

Und gerade das war es, was im Bundesjustizministerium namentlich den Staatssekretär Klaus Kinkel während des Hungerstreiks auf das heftigste verärgert haben muß. Aus dem Justizministerium wurde die auf Kinkels Betreiben vorgenommene Absetzung des Rebmann-Sprechers Prechtel damit begründet, die Bundesanwaltschaft habe ihre Pressepolitik in punkto Hungerstreik in Eigenregie betrieben und ein Äußerungsverbot, das ihr vom Ministerium auferlegt worden sei, mißachtet.

Und in der Tat: Auch während des Hungerstreiks war Prechtel ganz „die Stimme seines Herrn“, wie es in der Behörde selbst heißt. So hatte er während des Streiks stets die altbekannte Rebmannsche Position wiederholt, der Hungerstreik diene „terroristischen Zielen“, und auf die Forderungen wolle man nicht im geringsten eingehen. Eine klare Position, die jedoch Kinkels Verhandlungslinie stets aufs neue karikieren mußte. Denn während aus Karlsruhe die Hardliner-Position tönte, reiste Kinkel auf Linie des Boeden-Vorschlags in verschiedene Knäste, um über eine Lösungsmöglichkeit zu verhandeln. In diesem Schlagabtausch mit Rebmann traf es Prechtel, der dem Generalbundesanwalt als persönlicher Referent allerdings auch fürderhin treu zur Seite steht.

Mitnichten ein Riß

im Sicherheitsapparat

Doch trotz der Absetzung Prechtels als Sprachrohr Nummer eins, trotz der offenkundigen gegensätzlichen Einschätzungen und Strategien von Verfassungsschutz und Bundesanwaltschaft während des Hungerstreiks läuft mitnichten etwa ein Riß durch den bundesdeutschen Sicherheitsapparat. Nur drei Wochen, bevor Chefsprecher Prechtel seinen Stuhl wechseln mußte, wurde dem Generalbundesanwalt ebenfalls aus Bonn die Verlängerung seiner Amtszeit um ein weiteres Jahr über sein 65. Lebensjahr hinaus beschieden. Aus den Reihen der Karlsruher Behörde verlautet dazu ebenso wie aus Bonn, daß kein Nachfolger in Sicht gewesen sei, oder jedenfalls keiner, auf den man sich ad hoc hätte politisch einigen können.

War es tatsächlich nur das, oder wird dem Hardliner, der unter sozial-liberalen genauso wie unter christlich -liberalen Regierungen den Repressionstakt forciert hat, ein generöserer Abgang vergönnt, als es in diesem Frühjahr der Fall gewesen wäre? Schließlich ist Rebmann ein Amtsträger, dessen Engagement „oft über das hinausgeht, was von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet werden kann“, wie es ihm Bundesjustizminister Hans Engelhard, FDP, zu seinem 65. Geburtstag am 30. Mai dieses Jahres aufs neue bescheinigte.

Damit hatte Engelhard einen Protagonisten bundesdeutscher Sicherheitsperfidie in ein weiteres Amtsjahr geschickt, dessen Devise selbst manchem anliberalisierten Christdemokraten die Ohren klingen läßt: „Wer noch kein Staatsfeind ist, der kann noch einer werden.“ Dies das Leitmotiv des Generalbundesanwalts bei der Verfolgung jedweden Gedankenguts, in dem ihm der Keim des Aufruhrs zu stecken scheint. Und dank seines so ungehemmten wie umtriebigen Verfolgungswahns hat dieser Generalbundesanwalt seinem eigenen Leitsatz die empirische Verifizierung nachgeliefert: Unter der Rebmannschen Repressionsmaschine ist manch einer, der noch kein Staatsfeind war, zu einem solchen geworden.

Der rechte Mann

auf dem rechten Platz

In nachgerade manisch anmutender Exzessivität hat Rebmann diese Republik in den vergangenen zwölf Jahren seiner Amtsführung mit Durchsuchungsaktionen, Ermittlungsverfahren und Prozessen nach §129a überzogen. Nach Kräften trug Rebmann dafür Sorge, daß der ihm nachgeordnete immense Sicherheitsapparat noch weiter ausgebaut wurde. Nach und nach ist unter seiner Regie den Bundesländern die Zuständigkeit für 129a-Verfahren entrissen und in der Bundesanwaltschaft konzentriert worden.

Schon kurz nach seinem Amtsantritt im Deutschen Herbst 1977 als Nachfolger des von einem RAF-Kommando erschossenen Generalbundesanwalts Siegfried Buback stellte Rebmann unter Beweis, daß er der rechte Mann auf dem rechten Platz ist. Als der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt während der Schleyer-Entführung von seinen Beamten „exotische Lösungen in einer höchst brisanten Situation“ erbat, wartete Rebmann mit dem Vorschlag auf: „Der Bundestag ändert unverzüglich Artikel 102 des Grundgesetzes, der lautet: Die Todesstrafe ist abgeschafft. Statt dessen können nach Grundgesetzänderung solche Personen erschossen werden, die von Terroristen durch menschenerpresserische Geiselnahme befreit werden sollen. Durch höchstrichterlichen Spruch wird das Todesurteil gefällt. Keine Rechtsmittel möglich.“

Wenngleich sich Rebmann mit diesen Todesschußphantasien nicht durchsetzen konnte, blieb er doch weiter auf Kurs. Unermüdlich machte er sich an die Demontage bislang festgeschriebener rechtsstaatlicher Prinzipien. Auf sein Betreiben wurde die freie Anwaltswahl für nach §129a Angeklagte eingeschränkt, und ein Jahr nach seinem Amtseintritt wurden in den Knästen die Trennscheiben hochgefahren. Im Herbst 1977 war mit seinem Zuspruch die totale Kontaktsperre gegen die 129a-Gefangenen durchgesetzt worden.

Ein besonderer Dorn im Auge waren dem BAW-Chef und seinen Hilfstruppen stets die Freiheit des Worts und des Gedankens

-natürlich nur, wenn selbige von links auftauchen. Buchhändler nach Buchhändler belegte er wegen Vertriebs der Zeitschrift 'Radikal‘ mit massiver Verfolgung. Eine Chance zur wohlplazierten Demonstration der Macht im Staate zwecks politischer Einschüchterung verschenkte Rebmann dabei nie. Als 1987 der Dokumentenband das info - briefe von gefangenen aus der raf aus der diskussion 1973-1977 bereits seit Wochen regen Absatz gefunden hatte, startete der Generalbundesanwalt seine großangelegte Beschlagnahmeaktion, termingerecht herausgezögert zum zehnten Jahrestag der Todesnacht in Stammheim.

Anfang 1987 hatte sich denn auch des Generalbundesanwalts langgehegter Wunsch erfüllt, womit sich sein Aktionsrahmen ein weiteres Mal vergrößerte: Das Kohl-Kabinett erweiterte den §129a auf Straftatbestände, die noch zuvor unter Sachbeschädigung fielen (wie Strommastfällen). Mit dem erweiterten 129a im Rücken schlug Rebmann seither gleich mehrfach flächendeckend zu. Nachdem am 2.November 1987 bei einer Demonstration an der Frankfurter Startbahn 18 West zwei Polizisten durch Pistolenschüsse getötet worden waren, ließ der Generalbundesanwalt unter exzessiver Nutzung des erweiterten §129a eine Durchsuchungs-, Vernehmungs- und Ermittlungswelle anrollen, die nahezu alle Schattierungen der außerparlamentarischen Bewegungen und Initiativen im Rhein-Main-Gebiet erfaßte.

Leistet der Generalbundesanwalt so konsequente Basisarbeit „im kleinen“, so darf er sich auch größerer Taten rühmen. Seinem Betreiben ist es zu danken, daß bereits fünf Monate vor der Tagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in West-Berlin die ganze Republik mit polizeilichen Vorfeld -Kontrollen überzogen wurde. Tausende unbescholtener Bürger gerieten auf diese Weise in die Fahndungscomputer.

Herbe Schlappen

für den BAW-Chef

Wie weit sich auch immer die Serie dieser Rebmannschen Amtshandlungen fortsetzen ließe - in jüngster Zeit sind sie von herben Schlappen begleitet. So befand der BGH die flächendeckenden Polizeikontrollen im Vorfeld der Berliner IWF-Tagung, die die Bundesanwaltschaft als „Terroristenfahndung“ legitimieren wollte, als „mit dem Gesetz kaum zu vereinbaren“. Ebenso gescheitert ist der Generalbundesanwalt mit seinem äußerst windigen Ermittlungsverfahren gegen die Hamburger Rechtsanwältin Ute Brandt, die sich nach Meinung der Bundesanwaltschaft auf dem Wege der Verteidigerpost der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung strafbar gemacht haben soll.

Eine weitere gerichtliche Schlappe für die BAW war auch der Fall der wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ verfolgten Ursula Penselin, die nach Meinung des Oberlandesgerichts Düsseldorf „offensichtlich unbegründet“ acht Monate in Untersuchungshaft eingebunkert war. Und auch in Sachen Beugehaft wurde Rebmann unlängst per Gerichtsentscheid Paroli geboten. Eine entscheidende Niederlage hatte der Generalbundesanwalt zudem bereits im vergangenen Jahr im Fall der Begnadigung Angelika Speitels einzustecken, als er meinte, den Bundespräsidenten belehren zu müssen.

Rebmann setzt

noch eins drauf

Der späten Erkenntnis folgend, „der Mann schießt über sein Ziel hinaus“, wird dem Generalbundesanwalt nach und nach offenbar der fließende Übergang in den Ruhestand verordnet. Wenn Engelhard zu Rebmanns 65.Geburtstag noch hervorhob, der Mann tue mehr, „als von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes erwartet werden kann“, so ist derzeit wohl eher das gefragt, was man von einem Amtsträger erwarten können muß: Verhältnismäßigkeit der Amtshandlungen. Wenngleich dies nach zwölf Jahren Rebmannscher Repressionsära wohl kaum noch zu erwarten ist.

Bis zu seinem Ruhestand wird dieser Generalbundesanwalt daher keine Ruhe geben. Kaum hatte Rebmann seinen Schwenker bezüglich des Hungerstreiks kundgetan, da legte er quasi im gleichen Atemzug wieder seine alte Platte auf: Zur „Überwindung des Terrorismus“ sei es erforderlich, „daß wir auf dem Wege der Durchsetzung von Law and Order konsequent weitergehen“. Und da ihm die bestehende „Law and Order“ noch nie gereicht hat, bastelt er bereits wieder an dem nächsten Coup zum reibungsloseren Durchziehen von 129a-Verfahren. Rebmann fordert, „gefährdete Zeugen“ in solchen Verfahren „im Einzelfall von der Pflicht zum Erscheinen und zur Aussage zu entbinden“ und sie von der Pflicht zu Aussagen zur Person zu befreien. Damit wäre der anonymen Denunziation Tür und Tor geöffnet.

Doch ganz der „Law and Order“ verschrieben, will Rebmann seinen neuerlichen Anschlag auf rechtsstaatliche Prozeßgarantien selbstredend auf einem Amtsblatt niedergelegt wissen. So gab er seiner Hoffnung Ausdruck, daß „zumindest wichtige Punkte“ seiner Vorschläge zur Verdunkelung von Belastungszeugen Gesetz werden. Rechtsbeugung - auf dem Wege von „Law and Order“ der Rebmannschen Art.