Im Westen nichts Neues

Bonn zahlt 460 Millionen an China für U-Bahn-Bau in Shanghai  ■ G A S T K O M M E N T A R

Nun bekommmt China doch die nach der blutigen Niederschlagung der Studentenunruhen im Juni gestoppten 460 Millionen DM Bonner Entwicklungshilfe. Wie sollte es auch anders sein? Die bekannte Bonner Doppelmoral herrscht weiter. Auf der einen Seite werden von Regierungsvertretern in Reden vor der UN-Vollversammlung oder vor dem Deutschen Bundestag die Achtung der Menschenrechte als wichtiger Prüfstein in der Politik herbeigeschworen - auf der anderen Seite mißachtet und ignoriert man seltene einstimmige Bundestagsbeschlüsse und opfert die Menschenrechtsfragen den eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen. Im Westen nichts Neues also.

Die 460 Millionen DM Bonner Entwicklungshilfe sind Verrat Verrat an den toten chinesischen Studenten, Arbeitern und Wissenschaftlern - Verrat an der chinesischen Demokratie und Reformbewegung im Untergrund wie auch im Exil. Man kann nur den Kopf schütteln, wenn man die Antwort der Bundesregierung auf meine jüngste kleine Anfrage über die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China liest. Da schreibt doch die Bundesregierung, daß „die maßgeblichen Entwicklungen in der Volksrepublik China, die die Voraussetzungen für eine gedeihliche langfristige Zusammenarbeit schaffen könnten, wie eine Rückkehr zum Kurs der Reformen und Öffnung, nicht von außen her steuerbar oder mit einiger Zuverlässigkeit absehbar sind...“ und daß ein förmlicher Wiederaufnahmebeschluß wegen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit nicht planbar ist. Und dabei blüht schon wieder das deutsche Geschäft im Reich der Mitte, und die Entwicklungshilfe fließt erneut.

Die Scheinargumente der Bundesregierung für den U-Bahn-Bau in Schanghai sind unerträglich. Hat denn niemand im Bonner Regierungsviertel begriffen, daß den Menschen in Tibet und China nach den Massakern in Lhasa und Peking eine neue Kulturrevolution droht? Und daß die blutigen terroristischen Greise in Peking, unberührt von jedem Protest, nur eine Sprache verstehen - die des Geschäfts? Die Bundesregierung hat wieder einmal kläglich versagt, wenn es um Moral in der Politik geht. Sie antwortet auf rohe Gewalt der Pekinger Herrscher und auf die Atmosphäre des Terrors in China mit Entwicklungsmillionen. Doch die Gelder für die Verlängerung der Stipendien für chinesische Studenten in der Bundesrepublik - die hat man nicht!

Petra Kelly, MdB, Die Grünen