Der Staatssekretär im Klassenzimmer

■ Staatssekretär Hans-Jürgen Kuhn (AL) tauscht einmal die Woche seinen Amtsstuhl in der Bredtschneiderstraße mit dem Lehrerpult im Klassenzimmer / Die „Republikaner“ haben was dagegen

Einmal in der Woche nimmt Staatssekretär Hans-Jürgen Kuhn morgens nicht den großen schwarzen Aktenkoffer, sondern packt die Schulmappe. Seit Anfang September wird für zwei Stunden aus dem leitenden Schulbeamten Kuhn wieder der Lehrer Kuhn. Und das hätte wahrscheinlich noch lange niemand erfahren, hätte nicht die Fraktion der rechtsradikalen „Republikaner“ etwas dagegen einzuwenden.

Ob es denn stimme, wollten sie per kleiner Anfrage an die Schulsenatorin am 27.September wissen, daß der Staatssekretär nebenher noch unterrichtet. Und wenn ja, ob denn juristisch geprüft sei, ob das mit seinen Arbeitsaufträgen als Staatssekretär zu vereinbaren ist? Und ob die Schulsenatorin gegebenenfalls bereit sei, ihrem Staatssekretär die Paukerei zu verbieten?

Nun wurde zwar juristisch geprüft im Hause Volkholz, aber nur, ob der Staatssekretär Kuhn den Lehrerberuf als Nebentätigkeit ausüben darf. Das, so kamen die Beamten zum Schluß, sei nicht möglich. Die Sache schien erledigt. Staatssekretär Kuhn aber wollte gar keine Nebentätigkeit ausüben. Die zwei Stunden im Klassenzimmer, so definiert er seine Arbeit, gehören für ihn zum „Hauptamt“.

Schulsenatorin Volkholz hat sich bislang durch nichts genötigt gesehen, sich in die Unterrichtstätigkeit ihres Staatssekretärs einzumischen. Sie hat ihm das Lehrersein weder erlaubt noch verboten. Und schriftlich ist nirgends fixiert, was ein Staatssekretär darf und was nicht.

Was die Schulsenatorin politisch will, hatte sie allerdings bereits vor ihrer Wahl kundgetan: Schulräte und Ausbildungsleiter sollten regelmäßig unterrichten, um die praktischen Probleme des Schulalltags nicht aus den Augen zu verlieren. Bislang hat allerdings - außer einem Ausbildungsleiter - niemand von den leitenden Damen und Herren Interesse geäußert, sich vor eine Klasse zu stellen. Deshalb überlegt man im Hause Volkholz jetzt, wie und ob man die Unterrichtspflicht in die Arbeitsplatzbeschreibung einbauen kann.

Staatssekretär Kuhn jedenfalls will mit gutem Beispiel vorangehen und „zeigen, daß sowas geht“. Aber nicht nur AL -Politiker scheinen sich um Basisnähe zu bemühen. Hans -Jürgen Kuhn befindet sich in guter konservativer Gesellschaft. Die Staatssekretärin im Bildungsministerium Rheinland-Pfalz, Rickal (CDU), hat selbst im letzten Jahr wieder begonnen, in der Grundschule zu unterrichten. Warum sie wieder aufgehört hat? Der daraufhin veranstaltete Medienrummel war ihr zu groß geworden, sie hatte schließlich mehr Journalisten im Klassenzimmer als Schüler.

bf