Noch ist die Antarktis nicht verloren

■ Auf der Pariser Antarktis-Konferenz wurde das Rohstoffabkommen blockiert

Als der englische Seefahrer James Cook vor rund 200 Jahren den 60.Breitengrad per Schiff überschritt und nichts sah außer Eis, schrieb der Mann, der im Auftrag des britischen Königshauses neue Pfründe entdecken sollte, lapidar in sein Logbuch: „Kein Benefiz für die Schatullen Ihrer Majestät.“ Wie wahr. Doch seit dann die ersten Menschen/Männer Anfang des 20.Jahrhunderts ihre Füße auf den höchsten, kältesten, saubersten, trockensten, einsamsten 14-Millionen -Quadratkilometer-Kontinent setzten, hat der siebte Erdteil Probleme mit dieser Spezies. Der Mensch war in diesem Ökosystem nicht vorgesehen. Doch das schert den homo sapiens nicht.

Heute wittert man anderen „Benefiz“: Öl, Kohle, Mineralien. Alles natürlich noch nicht genau bewiesen, im Abbau noch nicht rentabel, wie Minister a la Riesenhuber beschwichtigen. Aber das Ende der Welt als noch zu plünderndes Rohstofflager ist eine verlockende Vorstellung. Davor will niemand halt machen. Vergessen die ungeahnte Utopie, die 1961 im Antarktis-Vertrag besiegelt wurde, als der Kontinent nicht nur zur ersten atomwaffenfreien Zone der Welt erklärt wurde, sondern auch zum entmilitarisierten Terrain. Einzig wissenschaftliche Forschung war und ist erlaubt. Und hier kam es - angesichts der Unbillen der Natur - zu bahnbrechenden blockübergreifenden Szenen. „In der Antarktis“, so ein amerikanischer Wissenschaftler zu Hochzeiten des Kalten Krieges, „kommt man mit den Russen besser klar als anderswo auf der Welt.“

Im ausgehenden 20.Jahrhundert verlaufen die Fronten anders. Jetzt wird von „rechtlosem Raum“ geredet und von den Apologeten eines Rohstoffabkommens in geradezu schizophrener Manier behauptet, erst dieses Abkommen biete der Natur Schutz. Seit Jahr und Tag haben Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace auf die Gefahren einer ökonomischen Ausbeutung der Antarktis verwiesen. Ihr langer Atem in Ehren. Und jetzt scheint sich der Spieß zu drehen. Denn in Paris hat sich am Konferenztisch nicht der semantische Nonsens einer Politiker- und Technokratenkaste durchgesetzt, der allen Ernstes behauptet, man könne nach einer Ölkatastrophe „die Natur in ihren ursprünglichen Zustand“ zurückversetzen. Nein: In Paris hat sich vorerst die Utopie behauptet. Und: Die Umweltschützer sind die eigentlichen Braintrusts der Politik.

Andrea Seibel