Joint-ventures an die Wolga

■ Sowjetische Gesprächspartner Schröders wollen wirtschaftliche Hilfe für die Wolgarepublik / Autonome Republik stelle einen „geistigen und kulturellen Bezug“ für Sowjetdeutsche dar

Moskau (taz) - Der niedersächsische SPD-Abgeordnete Gerhard Schröder berichtete am Freitag in Moskau von seinem Besuch auf sowjetdeutschen Sowchosen in Kasachstan und von Gesprächen über Sowjetdeutsche in der UdSSR.

Von einem Vertreibungsdruck der Sowjetdeutschen durch individuelle Verfolgung oder Diskriminierung könne man heute nicht mehr sprechen, meinte Schröder. Seine Gespräche in Kasachstan hätten gezeigt, daß das Wohlstandsgefälle zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion das wichtigste Auswanderungsmotiv sei. Als zweiten Faktor nannte er eine Art Torschlußpanik.

Der Einwandererzustrom in die BRD werde deshalb wohl in den kommenden Jahren noch anhalten. In der Bundesrepublik gehe es jetzt vorrangig darum, Wohnungen und Arbeitsplätze für Aussiedler zu schaffen und die Reformen in der UdSSR zu unterstützen. Schröder gab zu bedenken, ob Vertriebene in der BRD finanzielle Leistungen erhalten sollten, auf die sozialschwache Bundesbürger keinen Anspruch hätten.

Mit der Wolga-Autonomie hätten alle seine sowjetdeutschen Gesprächspartner Hoffnungen auf einen „geistigen und kulturellen Bezugspunkt ihrer nationalen Sache“ verbunden. Der Vorsitzende der ZK-Nationalitätenkommission, Andrej Girenko, und der Vorsitzende der Kommission des Nationalitätensowjets „Für die Probleme der Sowjetdeutschen“, Gennadij Kisseljov, betonten in Gesprächen mit Schröder die enge Beziehung zwischen der Rehabilitierung der Sowjetdeutschen und der Wiederherstellung der deutschen Republik. Von der Bundesrepublik erhofften sie sich dabei vor allem wirtschaftliche Unterstützung, z.B in Form von Joint-ventures. Die Hilfe dürfe sich aber „nicht nach dem Personalausweis richten“. Auch Angehörige der nicht -deutschen Nationalitäten in der Region müßten davon profitieren, um Vorurteile gegen deutsche Neuansiedler an der Wolga zu vermeiden.

Barbara Kerneck