Das Frankfurter „Schandurteil“

■ Stoltenberg, Scholz und alles, was schießen kann: Sturmlauf gegen das Mörderurteil

Berlin (taz) - Mit Schaum vor dem Mund haben Verteidigungsminister Stoltenberg, sein Vorgänger Scholz und Bundeswehr-Generalinspekteur Wellershoff das Urteil im „Soldatenprozeß“ kritisiert. Wie berichtet, hatte das Frankfurter Landgericht am Freitag die Äußerung, daß alle Soldaten „potentielle Mörder“ sind, nicht als strafbar, sondern als gedeckt durch das Recht auf Meinungsfreiheit bezeichnet und den angeklagten Friedensaktivisten freigesprochen.

„Bestürzung“ und „völliges Unverständnis“ äußerte Verteidigungsminister Stoltenberg. Wer Soldaten als potentielle Mörder bezeichne, stelle den Rechtsfrieden in Frage und verletze die Menschenwürde von 500.000 dienenden und Millionen ehemaliger Soldaten.

Sein Vorgänder im Amt, Rupert Scholz, sprach in einem Kommentar für die 'Welt‘ von einem „Mords-Richter“, der mit erschreckender Unverantwortlichkeit und rechtlicher Blindheit geurteilt habe. Der Frankfurter Spruch schlage auf die gesamte deutsche Justiz zurück und sei ein Schlag ins Gesicht aller Soldaten, die Sicherheit, Frieden und Schutz aller Bürger garantierten.

Als „unbegreiflich“ geißelte der Generalinspekteur der Bundeswehr, Admiral Wellershoff, das Frankfurter Urteil. Hier habe das Gericht das Recht auf Meinungsfreiheit höher eingestuft als den Schutz der persönlichen Ehre. Er könne dieses Urteil, das er als verfassungsrechtlich unhaltbar empfinde, nicht ertragen, sagte Wellershoff. Er vertraue auf den Rechtsstaat und sei „eigentlich ziemlich sicher“, daß es keine Rechtskraft erlange.

Die Vereinigung der Reserveoffiziere sprach von einem „Schandurteil“ und stellte Erfreuliches in Aussicht: Bei einem Fortbestehen des Urteils werde man künftige Wehrübungen verweigern.

Exverfassungsrichter Martin Hirsch hielt dagegen, der Freispruch sei richtig. Die Äußerung, daß Soldaten „potentielle Mörder“ seien, sei keinesfalls absurd, sagte Hirsch. Er selbst denke genauso.

-man