Verkehrspolitik: Bremen will Deutschland vorreiten

■ Bausenator Konrad Kunick: ÖPNV ausbauen, Straßen neubauen, Konzept kommt hinterher / Ziel ist eine „weitaus autofreiere“ Innenstadt

Bausenator Konrad Kunick hat sich ein Ziel gesteckt, nach eigener Einschätzung „bescheiden und ehrgeizig“ zugleich: Das für die kommenden Jahre prognostizierte weitere Ansteigen des Verkehrsaufkommens soll auf den Öffentlichen Personennahverkehr umgelenkt werden. Und Konrad Kunick hat noch ein Ziel: „Die autofreiere Innenstadt.“ Gestern wollte Kunick zusammen mit seinem Senatsdirektor Manfred Osthaus und dem Senatsbeauftragten für den ÖPNV, Hans-Jürgen Kahrs, ein „Konzept für

eine integrative Verkehrspla nung“ vorlegen. Heraus kam kein Konzept, sondern ein Konzept zur Erstellung eines Konzeptes, mit dem Bremen eine verkehrspolitische „Vorreiterrolle in Deutschland“ (Senatsdirektor Osthaus) anstrebt.

Die Analyse des Senators ist eindeutig: „Die Innenstadt ist verstopft, der Lärm macht krank, die Luft ist verschmutzt. Fußgänger, Eltern, Radfahrer leben in ständiger Angst. Autofahren ist nicht mehr Freude, sondern Streß.“ Und wenn die Politik dem

Individualverkehr weiter nachgibt, dann, so Kunick, „haben die Autos Platz, aber die Stadt ist weg.“ Des Senators Gegengift heißt: Das Verkehrswesen demokratisieren. „Entweder es steht 1995 alles, oder wir haben bis 1995 Trassen für Bahn und Bus frei.“ Und wenn die Autos sich dann in langen Schlangen stauen und der ÖPNV mit Tempo 30 an den Autos vorbeirauscht, dann, so des Senators Kalkül, werden es sich die AutofahrerInnen schon überlegen.

Unterstützung bei dem Ver

such den ÖPNV zu beschleunigen erhofft sich Kunick von der Bundesbahn. Die ist erstmals bereit, mit der Stadt Bremen über die Reaktivierung innerstädtischer Bahnstrecken zu verhandeln. „Wenn das nicht gelingen sollte, dann muß ein Schnellbussystem entstehen, um kräftig Zeiteinheiten einzusparen.“ In den Genuß von Kunicks „weitaus autofreierer Innenstadt“ sollen zunächst einmal die Bewohner des Schnoors kommen. Im Moment werden mit den Anwohnern Modelle diskutiert, um den Park

platzsuchverkehr aus dem Viertel zu bekommen.

Kunicks Senatsdirektor Manfred Osthaus überkamen angesichts der Schadstoffbelastung durch den KfZ-Verkehr gar apokalyptische Visionen: Angesichts eines drohenden Anstiegs des Meeresspiegels und der Lage Bremens, fragte er sich: „Wieviel Energie können wir uns für Verkehr leisten?“ Drei neue Straßenverbindungen will sich Bremen auf jeden Fall leisten: Den Daimler-Tunnel in Bremen-Sebaldsbrück, die Hafenrandstraße in

clusive Anbindung an die Autobahn nach Bremerhaven und eine „Entlastungsstraße“ für die Neuenlanderstraße. „Wir fahren zweigleisig“, so Osthaus zum Festhalten an neuen Trassen. Den Verzicht auf Georg-Bitter-Straße und Beneckendorff-Allee hatte bereits Bürgermeister Klaus Wedemeier in seiner Halbzeit-Bilanz-Pressekonferenz verkündet. Ein Streichen dieser beiden Straßen aus dem Flächennutzungsplan mochte Kunick gestern nicht befürworten. Das sei Sache der Senatorin für Umweltschutz und Stadtentwicklung.

Zwei Jahre, so meint der Senator für Bau, braucht es, bis das integrative Verkehrskonzept fertig ist. Die Ziele sind schon mal formuliert: Danach sollen alle Ziele für Bremer und Butenbremerinnen „optimal erreichbar“, die Wirtschaftsstandorte an die Autobahn „optimal angebunden“ sind. Gleichzeitg sollen Wohnqualität gesichert und verbessert, die Schadstoffbelastung der Luft reduziert, Straßen und Plätze wiedergewonnen und verbessert werden. Und bis dahin will sich der Bausenator auch überlegt haben, ob gegebenenfalls und wenn ja, welche Parkhäuser in der Innenstadt geschlossen werden sollen. Zum Vorschlag des SPD -Fraktionsvorsitzenden Claus Dittbrenner, das Parkhaus Katharinenstraße dichtzumachen meinte Kunick: „Wir bewegen uns in diese Richtung. Nur die Marschgeschwindigkeit ist nicht unbedingt die gleiche.“

hbk