Köstlicher Gag-betr.: "Mittag und Herrmann: nicht nur Sündenböcke", taz vom 20.10.89

betr.: „Mittag und Herrmann: nicht nur Sündenböcke“,

taz vom 20.10.89

(...) Die Ableitung der wirtschaftlichen Zentralisierungen in der DDR aus Günter Mittags Vergangenheit als Eisenbahner „abzuleiten“ ist natürlich im Lande der „Staatsableitung“ ein köstlicher Gag. Doch Klaus Hartung meint es (im Gegensatz zum unbekannten Autor des bemühten Zitats), wie immer, bitter ernst. Denn warum konnte sich die zentralisierte DDR-Wirtschaft nicht der „weltweiten Innovationssituation“ anpassen? „Der Eisenbahner vertraute zu lange den alten Geleisen.“

Nach dieser scharfsinnigen historischen Analyse schießen mir jezt natürlich immer neue Fragen durch den Kopf: Was wäre passiert, wenn Mittag nun „ehemaliger Mediziner“ gewesen wäre? Hätte er dann die Sklerotisierung verhindert und den Wirtschaftskreislauf wieder auf Trab gebracht? Oder gar „ehemaliger Hochleistungsportler“. Hätte dann die Planwirtschaft - mit spätem, aber gewaltigem Endspurt - im Wettlauf der Systeme doch noch obsiegt? Wie gar hätte Mittag gehandelt, wenn er seine Karriere als Leiter der staatlichen Lotterie begonnen hätte? Nicht auszudenken. Oder vielleicht doch?

Benno Wagner, Dortmund