Katzenjammer nach den Kommunalwahlen

Auch in Baden-Württemberg ziehen die „Republikaner“ in die Rathäuser ein / Stuttgarts CDU sieht sich im Fahrwasser des negativen Trends ihrer Partei / Selbstmitleid ersetzt Selbstkritik / OB Rommel: Die etablierten Parteien müssen jetzt enger zusammenrücken  ■  Aus Stuttgart Erwin Single

Obwohl die Staatsdiener noch lange in die Nacht hinein mit dem Auszählen der Stimmen beschäftigt waren, stand bereits zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale fest: Die rechtsradikalen „Republikaner“ ziehen jetzt auch in Baden -Württembergs Rathäuser ein. Lange Gesichter gab es bei der CDU, die wieder einmal kräftige Verluste hinnehmen muß.

Eigentlich waren die vielen interessierten BürgerInnen im 3.Stock des Stuttgarter Rathauses zusammengeströmt, um die Wahlergebnisse mit ein paar Gläsern Württemberger Wein zu begießen. Doch fröhliche Stimmung wollte nicht aufkommen.

Als auf einer Riesenleinwand die ersten errechneten Trends erschienen, stand blankes Entsetzen in den meisten Gesichtern. Beinahe zehn Prozent der Stimmen und damit sechs der 60 Sitze im Stuttgarter Stadtrat sollten die „Republikaner“ erhalten.

Alle im Rathaus sitzenden Parteien mit Ausnahme der FDP hatten Wählerstimmen verloren: Die CDU sackte um 5,7 Prozent auf 39,1 Prozent ab, die Grünen erreichten 11,4 Prozent und damit 4,5 Prozent weniger als bei der letzten Kommunalwahl vor fünf Jahren. Die SPD kam auf 29,3 Prozent und hatte diesmal nur einen halben Prozentpunkt weniger. Die in Stuttgart (anders als im Land) nicht sonderlich starken „Freien Wähler“ landeten mit rund einem Prozent Verlust bei 4,4 Prozent. Eine der ersten Reaktionen einer Gruppe von Stadträten: „Jetzt ist der Rechtsruck offensichtlich nicht mehr aufzuhalten.“

Gegen den „Einzug von Faschisten“ ins Kommunalparlament demonstrierten zur gleichen Zeit etwa dreihundert Menschen auf dem Stuttgarter Rathausplatz. Oben im Rathaus quittierten einige von ihnen das Abschneiden der „Republikaner“ mit „Nazis-raus„-Rufen. Die „Republikaner“ selbst waren im Gemenge nicht auszumachen. „Wer sind die denn?“ wurde herumgefragt. Seitdem die Rechtsradikalen nicht mehr mit braunen Jacken und gewichsten Stiefeln öffentlich auftreten, konnte niemand die Frage beantworten. Nur einen Anhänger der REPs, der heftig mit einer Gruppe diskutiert und gestritten hatte, traf es dann: Er bekam ein Gläschen Rotwein über den Kopf geschüttet.

Nach der Wahlnacht beginnt nun das Ringen um politische Mehrheiten in den Kommunalparlamenten. Zwar werden im Südwesten die Bürgermeister nicht von den Gemeinderäten, sondern von den BürgerInnen direkt gewählt, dennoch sind natürlich für alle Sachentscheidungen diese Mehrheiten entscheidend. In Stuttgart zum Beispiel hat der bürgerliche Block aus CDU, FDP und Freien Wählern seine Mehrheit verloren.

Die entscheidende Frage wird nun sein, ob die CDU dort entgegen anderslautenden Aussagen vor der Wahl jetzt doch mit den „Republikanern“ zusammenarbeiten wird. Noch am Wahlabend hatten der CDU-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Heinz Bühler, dies ebenso von sich gewiesen wie Stuttgarts Oberbürgermeister Manfred Rommel. Rommel meinte, nun müßten die großen und etablierten Parteien enger zusammenrücken. Vor laufenden Fernsehkameras gestand er ein, „sehr enttäuscht“ darüber zu sein, „daß so viele die „Republikaner“ gewählt haben“. Aus allen Stadtratsfraktionen ließ sich vernehmen, man wolle trotz der neuen rechten Fraktion die bisherige Kommunalpolitik unbeirrt fortsetzen.

Im Katzenjammer um die verlorenen Stimmen und den Sieg der „Republikaner“ setzt es auch die ersten Analysen. Wieder einmal war das Wahlkonzept der Christdemokraten nicht aufgegangen. Sie hätten die „Republikaner“ geschont, um sie durch Auseinandersetzung nicht noch „aufzuwerten“, hieß es.

Die CDU mußte sich in der Wahlnacht dann auch mehrfach den Vorwurf gefallen lassen, sie hätte sich nicht offensiv genug mit Schönhubers Parteifreunden auseinandergesetzt. Für die starken Verluste der Union war denn schnell die Ursache benannt: Der negative Trend der CDU habe sich fortgesetzt. Selbstkritisches war kaum zu hören, schon gar nicht zu dem einfallslosen Wahlkampf der CDU (Slogan: „Wir mögen Stuttgart“), mit dem sie versuchte, Optimismus zu verbreiten.

Die vorläufigen Wahlergebnisse lassen aber auch andere Schlüsse zu. Gerade die „Republikaner“ verbuchten die großen Gewinne mit bis zu 18 Prozent in Stuttgarter Wohngegenden, die von sozialen Spannungen geprägt sind und in denen im wesentlichen Arbeiter und Unterprivilegierte leben. In den gravierenden Wohnraumproblemen, der „ausländerfreundlichen“ Politik, die dem Stuttgarter OB zugeschrieben wird, sowie im Neid auf Aus- und Umsiedler dürften die Stimmen für die REPs eher ihre Ursachen haben.

Unter Stuttgarts Grünen wurde diese Einschätzung geteilt. Für ihre eigenen Verluste schien es dagegen einen ganz anderen Grund zu geben: Die gesamte Rathausfraktion wurde der Rotation geopfert.