Musikfest: „Verkleckert und vertröpfelt - für wen?“

■ taz-Gespräch mit der Musikwissenschaftlerin Ute Schalz-Laurenze über das vergangene Ereignis „Musikfest Bremen“

Ist Bremen an diesen drei Wochenenden ein Oberzentrum für Musik geworden?

Ute Schalz-Laurenze: Nein, das kann man noch nicht sagen. Ich finde die Idee richtig, daß die städtische Kultur Impulse „von oben“ bekommen muß, daß gute Kultur auch eingekauft wird. Aber dieses Fest konnte so, wie es letztendlich durchgeführt wurde, nicht angenommen werden. Das hat sich gegen Ende immer mehr gezeigt. Wir haben großartige Veranstaltungen gehabt, die aber nicht in die Stadt gewirkt haben. Wenn dieses Scharnier nicht funktioniert, dann verpufft der Impuls.

Und das Publikum?

Schalz-Laurenze: Es hat ausverkaufte Vorstellungen gegeben, aber das Musikfest hat Bremen überregional nicht interessant gemacht. Auch ist die Konzeption nicht geschlossen angenommen worden. Wenn das Rathaus etwa mit Sigiswald Kuijken oder der Tragicomedia London ausverkauft ist und direkt danach zwölf Leute in der Kunsthalle sind, dann hat das Konzept der Verbindung von alt und neu nicht geklappt, ist verkleckert und vertröpfelt - aber für wen?

Die Konzeption hat auch mit den magischen Jahreszahlen 1589

-1789 - 1989 gearbeitet. War das wiederzufinden im Musikprogramm?

Schalz-Laurenze: Jein. 1589, das waren die Vorformen der Oper, 1789 Französische Revolution, natürlich nicht verbunden mit musikalischer Revolution. Das Dritte, 1989, die Intermedien, die aus Italien kommen sollten, wurden abgesagt. Gründe wurden nicht bekannt gegeben. Also: Der Titel klang interessant, aber wurde inhaltlich besonders in Sachen neuer Musik nicht eingelöst. Und da ist zu vieles angestückelt worden. Konsequent war die Aussparung des Repertoires des 19. Jahrhunderts, bis auf Beethoven, und die Aussparung der Interpretation des 19. Jahrhunderts. Hier wurde durchgehend alte Musik in der histori

schen Aufführungspraxis vorgeführt mit den besten Ensembles, die wir heute haben. Das finde ich hervorragend und das ist ein unübersehbares Novum in der Festival-Szenerie. Das heißt aber noch lange nicht, daß insgesamt das Musikfest als gelungen bezeichnet werden kann.

Was ist der Unterschied zwischen Musikfest Bremen und dem normalen auswärtigen Konzert-Programm? Gibt es eine Differenz, die es rechtfertigen würde, alle zwei Jahre so ein „Musikfest“ als Höhepunkt des Bremer Musiklebens zu gestalten?

Schalz-Laurenze: Es gibt eigentlich keinen Unterschied. Mit ihren kleinen Etats leisten das 'musica antiqua‘ und 'musica nova‘ auch. Dazu gehören weiterhin die sehr innovativen, kleinen Festivals der Akademie für Alte Musik. Interessant ist, daß solche Qualität geballt kommt, insofern ist es wirklich ein repräsentatives Festival. Wobei ich mich frage, wer eigentlich der Ansprechpartner ist. Denn die Menschen, die auf Musikfestivals gehen, die haben in der Regel noch eine Sperre vor der historischen Aufführungspraxis und vor neuer Musik. Die Leute, die in die Konzerte gekommen sind, waren dieselben,

die auch zu 'musica antiqua‘ gehen, und ich glaube eben nicht, daß neue Hörerkreise gewonnen wurden. Das Publikum ist nicht in dem Maße dagewesen, wie es erwartet wurde.

Was war das Fest bei dem „Musikfest“ - abgesehen von dem ita

lienischen Bufett?

Schalz-Laurenze: Ja, das möchte ich auch wissen. Es ist ein Reprä sentationsobjekt für die Politiker geworden, für mich ein krasser und greller Widerspruch zum sozialdemokratischen Kulturverständnis.

Int.: K.W.