Tingel-Tangel im tik

■ „Perlen vergessener Poesie“ am Blauen Montag bei Waldau im Keller

Die von Conferencier Rolf Stueven bei der Begrüßung versprochenen Perlen vergessener Poesie wurden beileibe nicht vor die sprichwörtlichen Säue geworfen, sondern vor ein aufgeschlossenes Publikum im restlos ausverkauften Theater im Keller (tik) an der Niederdeutschen Bühne.

In dem engen Raum geht es familiär zu. Es gibt wenig Distanz und regen Austausch zwischen Darbietenden und Publikum. Die bekannteren Künstler des Ensembles sind kaum vertreten, da hier dem Nachwuchs eine Chance gegeben wird. Und das Publikum pfeift nicht wenn mal eine kleine Panne passiert.

Was stellt man sich unter Tingel-Tangel vergangener Zeiten vor? Genau, das wird gezeigt. Das fängt beim befrackten und stilecht bleichgeschminkten Pianisten Bernhard A. Wessels an,

dem es nicht übelgenommen wird, wenn er mal danebengreift. Das geht als Stilelement durch, und höchstens die Sängerin runzelt ein wenig die Stirn.

Ebensowenig stört es, wenn er im Trio mit Bernd Poppe und Horst Arenthold mitsingt und eine ganze Stimmlage danebenliegt. „Mein kleiner grüner Kaktus“ ist trotzdem einer der Höhepunkte des Abends und muß zum Schluß auch noch als Zugabe dienen.

Ähnlich gut kommt Karin Hölscher an, die u.a. „Von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt“ ist. Sie versucht nicht, große Vorbilder zu kopieren, sondern hat ihren eigenen Stil. Da macht es nichts, wenn sie mal Männer und Motten verwechselt.

Wir tun eigentlich den übrigen Mitwirkenden unrecht, wenn wir einzelne Namen herausstellen.

Aber unbedingt erwähnt werden muß noch Brigitte Reuß mit „Emil“ und vor allem „Eine Frau wird erst schön durch die Liebe“. Sie ersetzt etwas eigenmächtig im Text „Frau“ durch „Mann“ und akzentuiert diese Verwandlung sehr gekonnt durch Gestik und Mimik.

Bernd Poppes etwas melancholisch klingende Eigenkomposition „Fliegen“ ist nicht eigentlich Tingel-Tangel, sondern Reflexion darüber, und rundet den Abend gut ab.

Das Programm ist bis zum 20. November jeden Montag um 20.30 Uhr zu sehen und hören. Da traditionsgemäß in der Pause ein zum Programm passender Trunk und Imbiß gereicht werden, (nicht nur deshalb) ist die Eintrittskarte auf jeden Fall eine lohnende Investition. Vorbestellung wird angeraten.

Berni Kelb