„Darfst du andere neben mir haben?“

■ 22jährige wurde von ihrem Ex-Freund sexuell genötigt, drei Tage langeingesperrt und vergewaltigt

Seit letzten Montag verhandelt die IV. Kammer des Landgerichts Bremen gegen den 34jährigen Handelsvertreter Egon T. Er soll im November letzten Jahres seine frühere Freundin Susanne H. sexuell mißbraucht, vergewaltigt und drei Tage in seiner Wohnung eingesperrt haben.

Ende September 1988 wollte sich Susanne H. von ihrem Freund trennen. Schon damals erhielt sie von ihm nächtliche Anrufe, durch die sich die 22jährige von ihrem Ex-Freund kontrolliert fühlte. T. gab ihr zu verstehen, daß sie sich abzumelden hätte, wenn sie ohne ihn ihre Wohnung verlasse.

Vor Gericht schilderte Susanne H. auch, wie sie von T. dann zunehmend terrorisiert wurde. Im Oktober drohte er damit, ihr das Gesicht mit Säure zu verätzen: „Wenn du mich nicht willst, sollst du keinem gehören.“ Im Hausflur fand Susanne H. ein beschriebenes Papiertaschentuch: „Für die Tränen, die du nicht um mich weinst. Alle Grausamkeiten über dich.“ Die telefonischen Drohungen und Beschim

pfungem nahmen kein Ende. Irgendwann im Oktober drückte T. ihr eine Gaspistole ins Gesicht: „Keine Angst, wenn ich alle Frauen umlegen wollte, die mich nicht wollen, brauchte ich einen eigenen Friedhof,“ soll T. ihr dabei gesagt haben. Es folgten weitere Briefe: „Ich bin der Herr, dein Gott, seit wann darfst du andere neben mir haben. Provoziere ihn nicht, sein Arm ist lang und mächtig.“ Die Briefe liegen als Dokumente in den Gerichtsakten.

Die Gewalt des Angeklagten gegen seine ehemalige Freundin gipfelte in den ersten drei November-Tagen: Nach einem Schulbesuch habe T. sie gewaltsam in ein Auto gezogen und in seine Wohnung verschleppt, schilderte Susanne H. dem Gericht. Was sich dann drei Tage lang in der Wohnung abspielte, konnte die Frau nur mühsam und unter Tränen rekonstruieren. Neben Freiheitsberaubung warf sie T. Körperverletzungen, tiefste Demütigungen und Vergewaltigung vor.

Die verängstigte Frau ging zunächst nicht zur Polizei. Ein Gespräch mit ihrer Vertrauens lehrerin ermöglichte Kontakte zu einem Bremer Frauenhaus. Erst die Gespräche mit einer Frau von der Bremer Hilfe gaben ihr die Kraft für eine Anzeige, die nun vor dem Landgericht verhandelt wird.

Von den insgesamt 12 ZeugInnen, die in diesem Prozeß geladen sind, war der 30jährige Staubsaugervertreter und „gute Geschäftsfreund“ des Angeklagten, Horst B., der Hauptentlastungszeuge. Er hatte dem Angeklagten ein Alibi für die Tatzeit beschafft. Am 1. November sei er mit T. geschäftlich in Bremerhaven gewesen und habe mit ihm anschließend mindestens bis 1.00 Uhr morgens gezecht. Überraschend beantragte der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Behm, die Vereidigung des Zeugen, - vermutlich um seine Glaubwürdigkeit bei der Kammer auszutesten. Beim Versuch, die Lebensführung des Opfers Susanne H. zu diskreditieren, hatten die Richter den Verteidiger zuvor schon einmal abblitzen lassen. Nachdem Zeuge B. jedoch den Schwur geleistet hatte, fiel ihm

ein, daß der geschäftliche Umtrunk auch an einem späteren Tag stattgefunden haben könnte.

Zweifel sind auch bei den anderen vermeintlichen Entlastungszeugen geboten: Teilweise schnurrten sie die entlastenden Aussagen vor den Richtern herunter, ohne daß sie wissen konnten, was diese eigentlich von ihnen erfahren wollten. Die Zeugen hatten sich vor der Verhandlung ausgiebig untereinander kontaktiert und auch mit dem Angeklagten gesprochen. Das hatten die ZeugInnen dem Gericht auf Nachfrage jeweils bestätigt. Zur Zeit sagen sie noch aus, daß sie den Angeklagten und sein mutmaßliches Opfer nach der Tat zusammen „in harmonischer Eintracht“ gesehen hätten. Wenn am Donnerstag das Verfahren weiter verhandelt wird, sieht sich das Gericht vor die Aufgabe gestellt, anhand von neuen Zeugenaussagen die alten auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüfen zu müssen. Möglicherweise bahnen sich in diesem Prozeß eine Reihe von Verfahren wegen Falschaussage oder gar Meineids an.

mad