Marienfelde überfüllt

■ Neues Auffanglager soll errichtet werden / Fünf Menschen leben auf 40 Quadratmetern / Im Oktober kamen mehr als 10.000 Aus- und Übersiedler

Gut 10.000 Aus- und vor allem Übersiedler werden in diesem Monat in West-Berlin erwartet - so lauten die aktuellen Schätzungen aus der Senatsverwaltung für Soziales. Fast alle landen zunächst im Auffanglager Marienfelde.

Hier müssen sie sich bei den Alliierten und der Bundesaufnahmestelle melden, die innerhalb von fünf bis sieben Tagen über den künftigen Wohnsitz des Aus- oder Übersiedlers entscheidet. 90 Prozent der Übersiedler bleiben in West-Berlin - sie haben hier entweder enge Verwandte oder wohnten vormals als DDR-Bürger in Ost-Berlin oder naher Umgebung.

Erster Eindruck, Verteilstelle und Aufnahmelager entsprechend hoch ist die Fluktuation, und die Kapazität von 900 Plätzen in Marienfelde mehr als ausgelastet. Zwar werden die hier lebenden Menschen so bald wie möglich in eine andere Unterkunft verwiesen, doch der Strom der nachdrängenden Ankömmlinge aus Osteuropa reißt nicht ab.

Also leben hier bis zu fünf Menschen auf rund 40 Quadratmetern und teilen sich Küche und Bad. Rollstühle passen allerdings nicht durch die Toilettentür, im ganzen Lager gibt es nur eine Behindertenwohnung mit Platz für zwei Schwerstbehinderte.

Früher einmal konnten die Neuankömmlinge diese Situation als Übergangslösung betrachten und auf eine angemessene Wohnung hoffen - heute warten auf sie statt dessen Turnhallen, Container, Wohnheime oder Lagerhallen. Dort leben zur Zeit 22.000 Aus- und Übersiedler und mehr als 5.000 Asylbewerber.

1952, als das Auffanglager Marienfelde gegründet wurde, war die Aufnahmekapazität noch doppelt so hoch - doch nach dem Mauerbau wurde die Hälfte des Lagers an die Wohnungsgesellschaft DeGeWo verkauft. Die Folge aufgrund des aktuellen Zustroms: Alle vorhandenen Wohnungen werden dringend gebraucht, die Dienststellen und behördlichen Einrichtungen sitzen in Zelten, organisiert und aufgebaut von den Alliierten.

Daß dieser Zustand auf Dauer unhaltbar ist, ist auch Sozialsenatorin Stahmer klar. Um die Situation in Marienfelde zu entschärfen, soll ein zweites Auffanglager eingerichtet werden. Die Senatsverwaltung steht in konkreten Verhandlungen - Näheres war bislang jedoch nicht zu erfahren.

Martina Habersetzer