Nicaragua-Solidarität im Wahlkampf

■ Heute wollen Grüne und Solidaritätsgruppen 800.000 Mark an die nicaraguanische FSLN übergeben: Zur Finanzierung des Wahlkampfes / Spendenkampagnen für die Regierungspartei, während die Konrad-Adenauer-Stiftung und US-Regierung die Rechtsopposition aushalten

Am Anfang stand die Furcht vor einer Materialschlacht nach US-amerikanischem Muster. Nicaragua hatte gerade ein Wahlgesetz verabschiedet, das der Opposition Chancengleichheit zusicherte und auch großzügige Spenden aus dem Ausland an alle Parteien erlaubte. Und die US-Regierung

-ausgestattet mit einschlägigen Erfahrungen aus Chile wie Jamaika - hatte schon angekündigt, die fruchtlos gebliebene Contra-Hilfe nunmehr auf die zivile Opposition umzuleiten. Schließlich kandidiert eine Reihe ehemaliger Contra-Führer auf der Liste der Opposition oder hat, wie Contra -Militärchef Bermudez, aus dem Exil ihre Unterstützung angekündigt.

Als US-Präsident Bush Ende Juni 3,5 Millionen Dollar durch den Kongreß schleuste, um „mit verdeckten Mitteln“ Nicaragua zu päppeln, wurden in der westdeutschen Solidaritätsszene alte Ideen hervorgekramt, wie von links der FSLN unter die Wahlkampfarme gegriffen werden könnte. Schließlich ist man dort pleite, und auch aus der Sowjetunion ergießt sich schon lange kein Geldsegen mehr.

Den Anfang machte die „Christliche Initiative Romero“ aus Münster. Sie sammelte ein Paar Prominentenunterschriften von Greinacher und Sölle bis Wieczorek-Zeul unter einen Aufruf („Unterstützt den Wahlkampffonds der Sandinisten“) und begründete, warum es wichtig sei, „daß die Sandinisten diese Wahlen gewinnen und weiterhin die Regierung stellen“: Agrarreform, Alphabetisierung und Gesundheit für alle. Der Text sollte auch kritische Solidaritätswillige ansprechen und verschwieg deshalb nicht, daß die Sandinisten auch Fehler begangen haben - bei Menschenrechten, ethnischen Minderheiten, in Wirtschaft und Außenpolitik. „Sie haben aber die Fähigkeit bewiesen, aus diesen Fehlern zu lernen und sie zu korrigieren.“ Die Opposition dagegen wolle „alte Strukturen wiederherstellen“, die Privilegien der Reichen sichern.

Zwar fühlten sich die restlichen Solidaritätsgruppen auf den Schlips getreten, weil die Münsteraner mit einer Veröffentlichung in der taz am 5.September „vorgeprescht waren“, doch jetzt kam auch in anderen Städten Bewegung in die Szene, und zwei Wochen später verabschiedeten die in Wuppertal versammelten Solidaritätsgruppen einen gemeinsamen Aufruf mit Spendenkonto. Der allerdings (Motto: „Farbe bekennen!“) verzichtete auf die kritischen Töne, betonte statt dessen die „Formen direkter Demokratie“ in Nicaragua und verteilte ordentliche Hiebe an die Konrad-Adenauer -Stiftung (siehe Artikel unten) und ihre „Günstlinge“, vom Unternehmerverband über die christdemokratische Gewerkschaft bis zum Erzbischof Obando. Und da „uns die inhaltliche Stoßrichtung wichtiger war als ein gemeinsamer Aufruf“ (Barbara Lucas vom Informationsbüro Nicaragua), bekam auch die Sozialdemokratie ihr Fett ab: Sie, und nicht erst die Kohl-Regierung, „stellte bereits 1982 die Entwicklungshilfe ein“. Roland Röscheisen, der die Nicaraguaarbeit der Jusos koordiniert, fand es natürlich „blöd, das nochmal zu bringen“. Außerdem habe es noch im letzten Jahr der Schmidt -Regierung Bewilligungen für Nicaragua gegeben. „Da Geld ist nur langsam abgeflossen“ - für Röscheisen ein „Problem im administrativen Bereich“. Die Jusos verfaßten nun ihren eigenen Spendenaufruf (Tenor: „Bei diesen Wahlen geht es um die Alternative Sozialstaat oder Ausbeutung“) und sammelten fleißig Unterschriften bei prominenten Gewerkschaftern wie Ilse Brusis aus dem DGB-Bundesvorstand und Sozialdemokraten

-daß auch Koschnik und Däubler-Gmelin für die „Regierung nach marxistisch-leninistischer Art“ unterschrieben, regte prompt die CDU/CSU-Fraktion auf.

Der grüne Bundesvorstand seinerseits unterschrieb den Wuppertaler Aufruf und besorgte der FSLN schon einmal eine halbe Million Mark Vorschuß aus dem „Solifonds“ der Grünen. Zurückgezahlt werden soll dieser Kredit aus einem extra eingerichteten Spendenkonto. Das Konto des Wuppertaler Informationsbüros dagegen ist schon gut gefüllt: Aus ihm werden heute in Bonn, gleichzeitig mit dem Grünen-Kredit, 300.000 Mark an den Europavertreter der FSLN Silvio Prado übergeben. Die Kampagne soll danach mit Broschüren und Rundreisen von FSLN-Vertretern durch die BRD weitergehen.

Michael Rediske