Kapitalintensiv die Luft zerteilen

■ Fremdfirma zerlegt auf Klöckner-Werksgelände für 50 Millionen Mark Luft in drei Bestandteile

Luft - vielleicht erinnern Sie sich noch dunkel an Ihren Chemie-Unterricht - Luft besteht aus drei Teilen: Aus Sauerstoff (21 %), aus Stickstoff (78 %) und aus Edelgas (1 %). Um große Mengen Luft in ihre Hauptbestandteile zu zerlegen, bedarf es einer - „Luftzerlegungsanlage“. Eine solche hochmoderne Maschinerie wurde gestern mit vielen senatorischen Luftblasen in Bremen feierlich eingeweiht. Diese schmucke, rot-weiß gestrichene Anlage steht eingezäunt mitten auf dem weitläufigen Gelände des zweitgrößten Bremer Unternehmens, der Klöckner Stahl GmbH mit ihren über 6.000 Beschäftigten. Die Anlage gehört jedoch nicht dem Klöckner Stahlwerk, sondern einer Fremdfirma, der „Bremer Industriegas GmbH“. Deshalb verteilte der Betriebsrat zur Feier ein Papier mit der Überschrift „Kein Grund zum Feiern“. Zum dritten Mal gebe Klöckner Teile der hütteneigenen Produktion ab an eine Firma, die sich „als ex -territoriales Gebiet“ auf dem Klöckner-Gelände ansiedele und sich der Mitsprache des Betriebsrates völlig entziehe. In den Jahren zuvor hatte der Klöckner-Vorstand bereits seine „Blockbrammenstraße“ an die Firma Brach und seine „Flämmerei“ an die Firma Samafer abgegeben. Was die Betriebsräte an der „Luftzerlegungsanlage“ besonders ärgert: „Obwohl Klöckner zu 50 % an der 'Bremer Industriegas‘ beteiligt ist, lehnte der Vorstand ab, daß die Belegschaft

der neuen Anlage bei Klöckner bleibt.“ 15 Arbeitsplätze wurden mit der neuen Anlage geschaffen, nach Berechnungen des Betriebsrats gingen der Hütte damit gleichzeitig 27 Arbeitsplätze verloren. Denn Klöckner hatte zuvor zwanzig Jahre lang mit einer hauseigenen „Sauerstoffanlage“ gearbeitet.

Das Stahlwerk braucht riesige Mengen Sauerstoff, um den Roheisen-Massen Kohlenstoff zu entziehen. Weiterhin hat Klöckner Bedarf am Edelgas Argon und an Stickstoff, um damit im Konver

ter das glühende Gemisch aus Roheisen und Schrott „umzurühren“ und auch, um die Hochöfen zu „entstauben“. Vorstandsmitglied Klaus Hilker erläuterte die betriebswirtschaftlichen Vorteile der neuen Anlage: Sie spare Strom (20 Millionen Kilowattstunden pro Jahr), sie spare Kohle und die Substanzen Stickstoff und Argon müßten nicht mehr zugekauft werden. Klöckners Partnerin beim Luftzerlegen heißt „AGA Gas GmbH“, ist Tochter eines schwedischen Konzerns und das drittgrößte Industriegas

Unternehmen der BRD. „AGA“ will die neue Bremer Anlage zu ihrem „Distributionszentrum“ machen.

Den roten Knopf durfte gestern Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer drücken. Seine Macht reichte aber nur, einige Mädchen 3.000 Luftballons aufsteigen zu lassen. Die neuen Kompressoren zum Luftansaugen hörten nicht auf sein Kommando. Doch der Senator war's zufrieden: „Der High-Tech -Expreß hat in Bremen gehalten“, verkündete er einmal mehr.

Barbara Debus