„Polizei unfähig, verlogen und unkontrolliert“

■ Grüne Folgerungen aus dem Untersuchungsausschuß Geiselnahme: MEK abschaffen, Polizeiausrüstung reicht, Leben geht vor Staatsraison

Am Freitag will der Vorsitzende des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses Geiselnahme, Peter Kudella, der Öffentlichkeit den Abschlußbericht des Ausschusses vorlegen. Während sich die Vertreter der Parteien im wesentlichen auf eine gemeinsame Beurteilung des Sachverhaltes einigen konnten, könnten die politische Bewertung der polizeilichen Pannen und die Frage, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind, kaum unterschiedlicher sein.

Die kritischste Würdigung des Bremer Polizeiapparates stammt aus der Feder des Grünen Martin Thomas. Auf elf Seiten hat Thomas aufgelistet, was die Grünen

nach der einjährigen Arbeit des Untersuchungsausschusses von der Bremer Polizei halten. Kurz zusammengefaßt: Die Bremer Polizei ist unfähig und verlogen.

„Die Grünen hätten angesichts des menschlichen Leids, daß die Bremer Polizei mitzuverantworten hat, mehr selbstkritische Töne erwartet“, meint Thomas. Und weiter: “ Einige Polizeibeamte zeigten dem Ausschuß deutlich, daß die Polizei eine öffentliche Untersuchung als Zumutung empfände. Die Beamten antworteten gelangweilt, einsilbig oder ausweichend. Daneben stehen offensichtliche Versuche von Polizeibeamten, den Ausschuß und die Öffentlichkeit zu täuschen.“

An dem Beweiswert der Untersuchungsergebnisse meldet Thomas Zweifel an, da der Ausschuß auf Aktenmaterial angewiesen sei, das aus der Behörde kam, die es zu untersuchen galt, dem Stadt- und Polizeiamt. Thomas: „Diese Behörde hat im Zusammenspiel mit Dritten nichts unversucht gelassen, die Fehler der Beamten während des Geiseldramas zu vertuschen. Das Original des Einsatzprotokolls der Befehlsstelle MEK ist vernichtet worden, es gibt kein Einsatzprotokoll des Lagezentrums, dem Ausschuß wurde ein geschöntes Ablaufprotokoll vorgelegt, wesentliche Beweise wurden von der Polizei nicht zur Akte genommen und

wichtige Aktenteile wurden dem Ausschuß nicht übersandt.“

Während Peter Kudella für die CDU plädiert, den Todesschuß in das bremische Polizeigesetz aufzunehmen, geht Thomas die jetzt bestehende Regelung zu weit. Denn ein eindeutiger Bürgerschaftsbeschluß aus dem Jahr 1983, daß der Todesschuß nicht in das Polizeigesetz aufgenommen werden solle, wird durch eine Ausführungsbestimmung des Innensenators teilweise wieder aufgehoben. Dort heißt es, daß die Todesfolge eines mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlichen Schusses „mißbilligend in Kauf“ genommen wird. Thomas: „Dieses widerspricht

dem gesetzgeberischen Willen und stellt darüber hinaus für die eingesetzten Polizeibeamten eine nicht hinnehmbare Rechtsunsicherheit dar. Die Ausführungsbestimmungen müssen umgehend aufgehoben werden.“

Um bei künftigen Geiselnahmen den Handlungsspielraum der Polizei zu vergrößern und die Entscheidung „freier Abzug“ für den Täter zu erleichtern, fordert Thomas die Überarbeitung der Dienstanweisung Geiselnahme. Keinesfalls dürfe das Leben der Geisel gegenüber der Staatsräson aufgewogen werden. Daher fordert Thomas eine Änderung der Polizeidienstvorschrift PDV 132, in der es heißt: „Bei der Befreiung von Geiseln kann bei übergeordneten Interessen im Einzelfall eine erhöhte Gefährdung der Geiseln unumgänglich sein.“ Weitere Folgerung des Grünen: MEK auflösen, erstens aus prinzipiellen Gründen und zweitens wg. Mitverantwortung an der Kaperung des Busses und am Tod des italienischen Jungen Emanuele de Georgi.

Von Kudellas Einschätzung,

daß Mängel bei der technischen Ausstattung der Polizei auch in künftigen Fällen katastrophale Folgen haben könne, hält Thomas überhaupt nichts. Für die Einsatzpannen seien nachgewiesenermaßen Bedienungsfehler und mangelndes technisches Know-how verantwortlich.

In der vorläufigen Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegen Beamte sieht Thomas einen „Beleg für den Filz, der sich zwischen Polizei und Justiz in Teilbereichen herausgebildet hat.“ Außerdem sei nicht hinzunehmen, daß keine Disziplinarverfahren gegen verantwortliche Polizeiführer eingeleitet worden seien, obwohl diese teilweise vor dem Ausschuß grobe Dienstvergehen zugegeben hätten. Die Aufgabe, die Polizei zu kontrollieren, möchte Thomas nicht dem Innensenator alleine überlassen. Seine Bereitschaft zur Mithilfe: „Die Grünen stellen sich der Aufgabe, rechtsstaatliche und demokratische Grundsätze gegenüber falsch verstandenen Sicherheitsinteressen durchzusetzen.“

hbk