Zwischen Asbest und Mitbestimmung

■ Neue Architekturgebäude über die ganze Stadt verteilt / Lange Fahrtwege für Studenten / 37 Millionen Mark kostet die Renovierung des bisherigen Architekturgebäudes / Ein Leben wie in der DDR - lauter kleine Honeckers / Neues Gebäude in der Siemensstadt

Neues Semester, neues Glück haben sich wohl auch die Architekten gedacht, als sie die Ersatzräume in der Siemensstadt und in der Weddinger Ackerstraße bezogen. In den als Ersatz für das asbestverseuchte Gebäude am Ernst -Reuter-Platz zur Verfügung gestellten Räumen dürfen sich die Architekten voraussichtlich in den nächsten sechs Jahren austoben, während das alte Architekturgebäude renoviert wird. Lange Fahrwege und noch keine Perspektive für ein besseres, von ihnen mitbestimmtes Studium prägen den Alltag der Studenten.

Insbesondere für die Unterstufe wirkt sich diese räumliche Entfernung katastrophal aus. Während bereits jetzt inoffiziell von einer Arbeitsbelastung im ersten Semester von 70 Wochenstunden ausgegangen wird, kommen nun noch zehn Stunden pro Woche an Fahrtzeit dazu. Denn kein Dozent kommt auf die Idee, seinen Studenten nachzufahren. So unterbreitete das dritte Semester Herrn Professor Köppel den Vorschlag, er möge doch von der Ackerstraße zum Rohrdamm zum Unterricht kommen. Ansonsten müsse das dritte Semester zu ihm in die Ackerstraße kommen. Inzwischen fahren rund 300 Studenten in die Ackerstraße, da der Herr Professor seine Arbeitsmatertialien, mindestens ein Hut und ein Ei als Vorlage zum Zeichnen, nicht durch die ganze Stadt fahren wollte.

Das Verhältnis zwischen den Studenten und den Professoren im Fachbereich ist auch sonst nicht das beste. So legten die studentischen Vertreter in den Gremien ihre Ämter nieder. „Es wird zwar immer über Dialog geredet, aber Konsequenzen daraus wurden nicht gezogen. Das ist wie in der DDR hier, nur daß hier viele kleine Honeckers sitzen, die alle abtreten müßten“, meint Klaus. Auch aus der während des Streiks begonnenen Perspektivdiskussion wurde nichts. Änderungen bei Planung, Organisation oder Lehrinhalten haben nicht stattgefunden oder wurden zurückgenommen. Dazu hieß es dann von professoraler Seite, nun habe man während der Semesterferien genügend Zeit gehabt, über die jeweiligen Konzepte nachzudenken, das beste sei jedoch das Bewährte.

Auf Asbest angesprochen, kann man aus Studentenkreisen erfahren, daß diese Sache aber auch eine gute Seite hatte. „Endlich wurde auch von der Universitätsverwaltung bemerkt, mit welcher Frechheit in den vergangenen Jahren die Professoren ihren Raumbedarf auf Kosten von unseren Arbeitsräumen ausgeweitet haben. Über 2.000 Quadratmeter zusätzlich stehen uns jetzt, insbesondere im Grundstudium, als Arbeits- und Projekträume zur Verfügung. Das war doch modernes Raubrittertum, wie sich die Professoren Räume angeeignet haben“, so ein Student.

Mindestens sechs Jahre wird dieses Provisorium dauern. Nach bisherigen Planungen kostet die Sanierung der Architektur 30 Millionen Mark, zusätzlich noch etwa sieben Millionen für die Fassade - erfahrungsgemäß verdoppeln sich in Berlin jedoch die Kosten für öffentliche Baumaßnahmen. Bis jetzt wird das Gebäude bis auf den Rohbau abgerissen und anschließend neu verkleidet. Allerdings hat sich der Landeskonservator eingeschaltet, das Gebäude sei städtebaulich einmalig, und er wolle prüfen, inwieweit es erhaltenswert sei. Wie lange dann die Studenten auf ihre Räumlichkeiten warten dürfen, steht in den Sternen.

Damit die Architektur aufrecht erhalten werden kann, mußte die TU rund 4.000 Quadratmeter anmieten. Sie wurden im Siemensgebäude 211 gefunden. Das seit Jahren leerstehende Gebäude ist zwar keineswegs ideal, aber es ist leer. 2,2 Millionen Mark ließ sich die TU den Umbau kosten und weitere 2,58 Millionen muß sie jährlich für die Miete bezahlen. Das entspricht ungefähr 35 Mark pro Quadratmeter Hauptnutzfläche. Trotz - oder gerade wegen - der hohen Miete ließ sich die Firma Siemens genauestens über die neuen Mieter informieren. Was denn da für Studenten kommen würden, wurde bei der TU angefragt. Daß die Architekten als erste begonnen hatten zu streiken, als letzte aufhörten und mit Freude aktive Kunst betreiben, wurde offensichtlich nicht geantwortet.

maer