Prima Klima fürs AKW?

Die Zunft, der Treibhauseffekt und die neue Energie-Parole  ■ K O M M E N T A R E

Die Atomgemeinde kennt nur noch ein Thema: die Klimakatastrophe. Keine Tagung der Zunft, keine Pressemeldung ohne den Hinweis auf den drohenden Klima-GAU und die Rettung durch die „saubere“ Atomkraft. Wer das Branchenblatt 'Atomwirtschaft‘ liest, glaubt zuweilen, er blättere in einem Fachorgan der Klimawissenschaft. Kaltschnäuzig wird der Treibhauseffekt als politisches Schmiermittel für die Akzeptanz der Atomenergie mißbraucht.

Zumindest für die Bundesrepublik bleibt aber festzuhalten, daß die Offensive der Atomlobby bisher wenig Wirkung zeigt. Der von Veba-Chef Bennigsen-Foerder wiederholt beschworene neue Energie-Konsens ist in Wahrheit längst vorhanden: Neue Atomkraftwerke will in diesem Land niemand mehr. Dieser Konsens, in allen Meinungsumfragen immer wieder bestätigt, ist unter dem Eindruck der drohenden globalen Klimaveränderung bislang stabil geblieben. Auch die von einem CDU-Vorsitzenden geführte Klima-Enquete-Kommission des Bundestages gibt der Atomenergie schlechte Karten und setzt auf die Strategie einer konsequenten Energieeinsparung und erhöhten Energieeffizienz als oberste Priorität. Daß dies der einfachste, billigste und schnellste Weg aus dem Schwitzkasten der Erde ist, haben die Forderungskataloge aller Klimakongresse gezeigt, in denen die Atomenergie allenfalls noch als Fußnote erwähnt wird. Und nichts anderes sagt Töpfers Umweltbundesamt.

Auffällig ist, daß die Atomgemeinde auf diese Argumentation inzwischen eingestiegen ist. Die Forderungen nach Energiesparen, effizienteren Techniken und einem Ende der maßlosen Energieverschwendung werden nicht mehr länger als asketische Gespinste und Ende der Zivilisation denunziert, sondern selbst von Leuten wie „Brüter-Vater“ Wolf Häfele zumindest verbal anerkannt. Häfele gab schon Anfang dieses Jahres die neue Parole aus: Energiesparen und Atomkraft. Die alternativen Energiekonzepte werden nachgebetet, um als „additive Komponente“ am Ende noch die Atomkraft dranzuhängen. Die Botschaft: Wir müssen alle Mittel im Kampf ums Überleben der Menschheit nutzen und dabei ideologischen Ballast abwerfen: die „Ressentiments“ gegens Atom.

Daß Atomkraft und rationelle Energiekonzepte sich gegenseitig ausschließen, daß jede Mark für neue Atomkraftwerke bei der Investition in effizientere Energietechniken fehlt, daß es um eine insgesamt neue Energiephilosophie geht, daß wollen Häfele und Co. bis heute nicht begreifen. Ihr Weltbild wird nach wie vor von der einfachen ökonomischen Logik bestimmt, daß ein Mehr an Energieverbrauch auch ein Mehr an Einnahmen verspricht. Aus ihrer Sicht ist Energiepolitik ein schlichtes Bereitstellungsproblem. Es wird nicht nach Maßnahmen, Techniken und Strategien gefragt, um den Energieverbrauch zu drosseln, sondern nach immer neuen Kraftwerksbauten, um ihn zu befriedigen. Aus dieser Perspektive werden auch die Zukunftsszenarien entworfen. Im Gleichlauf mit Wirtschafts und Bevölkerungswachstum werden fürs nächste Jahrtausend in unverbesserlicher Manier schwindelerregende Energieverbräuche vorausgesagt, die im übrigen mit Atomenergie selbst bei einer Verzehnfachung der Kapazitäten nicht annähernd zu erfüllen wären. Nur: Energieverbräuche sind kein Schicksal. Sie sind das Ergebnis politischer Weichenstellungen.

Manfred Kriener