Dolmetscher-Ausfall im Kurdenprozeß

Verhandlung mußte am zweiten Tag des Düsseldorfer Mammutprozesses wegen fehlerhafter Übersetzung abgebrochen werden / Ausländische BeobachterInnen sprachen von skandalösen Zuständen / Verteidigung protestierte erneut gegen Verfahrensbedingungen  ■  Aus Düsseldorf B. Markmeyer

Der zweite Tag im sogenannten PKK-Prozeß vor dem 5. Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts zeigte, mit welchen Schwierigkeiten dieser Prozeß mit in Zukunft vermutlich 18 Angeklagten vonstatten gehen wird. Durch Anklagekonstruktion und Verfahrensbedingungen sind die Probleme vorprogrammiert. So war gestern nicht einmal eine angemessene Übersetzung möglich.

Die erste Stunde benötigte das Gericht für die Entscheidung, daß die von der Verteidigung mitgebrachten Dolmetscher nicht die vom Angeklagten Ali Haydar Kaytan angekündigte Erklärung übersetzen dürfen. Als dann der vom Gericht bestellte Dolmetscher Götz zu übersetzen beginnt, hagelt es Proteste. Kaytan will eine politische Erklärung abgeben, bevor er den von der Verteidigung bereits am ersten Verhandlungstag gestellten Antrag auf Einstellung des Verfahrens aus Sicht der Angeklagten begründet. Der Prozeß sei ein verdeckter Kampf gegen die PKK und Teil eines neuen Komplotts gegen die kurdische Befreiungsfront, sagt er, und das wird auch übersetzt. Daß er anschließend erklärt, die PKK befinde sich zwar im Kampf mit dem faschistischen Militärregime in der Türkei, habe aber nicht die Absicht, Bürger in der BRD oder in anderen europäischen Ländern zu Zielscheiben von Anschlägen zu machen, erfahren Prozeßbeteiligte und ZuhörerInnen erst aus der Kontrollübersetzung der Dolmetscher, die bei den VerteidigerInnen sitzen. In der Götz-Übersetzung kommt diese Passage nicht vor.

Kurz darauf wiederholt sich der Vorgang. Erst die Kontrolldolmetscher können der Öffentlichkeit kundtun, was Kaytan gesagt hat. Der Vorsitzende Richter Belker stellt fest, daß „die Übersetzungen sich in der Tat unterscheiden“, bittet Götz, Pause zu machen und ruft den zweiten Dolmetscher. Der übersetzt „deutscher Imperialismus“ mit „deutsches Volk“ und sieht sich nach fünf Minuten außerstande weiterzumachen. Nach weiteren fünf Minuten ist auch der dritte vom Gericht bestellte Übersetzer mit seinem Deutsch am Ende. Der Dortmunder Rechtsanwalt Ahues hat den Übersetzerwortbrei festgehalten und liest ihn vor. Er ergibt keinen Sinn. Den wiederum liefern erst die Dolmetscher der Verteidigung. „Der letzte Satz lautete: Wie kann es passieren, daß ein offensichtlich politisches Verfahren zu einem primitiven Strafverfahren gemacht wird?“

Gestern war es nicht einmal dieses, verlangt doch selbst ein primitives Strafverfahren, daß Angeklagte sich dem Gericht verständlich machen können. „Skandalös“, kommentiert ein französischer Richter, der für eine Menschenrechtsgruppe in Frankreich den Prozeß beobachtet, das Desaster. Eine schwedische Parlamentsabgeordnete, ebenfalls als Prozeßbeobachterin nach Düsseldorf gereist, wundert sich, daß keine PolitikerInnen der bundesdeutschen Linken den Verfahrensablauf beobachten. Alle Anträge der Verteidigung setzen sich derzeit mit den Verfahrensbedingungen auseinander. So lieferte ihnen der zweite Verfahrenstag denn auch Stoff für neue Proteste. „Ursächlich“ für den Dolmetscherausfall, so Rechtsanwalt Schubert, seien nicht terminologische Schwierigkeiten, wie der Vorsitzende Belker nahegelegt hatte, sondern „die extreme Sondersituation in diesem Verfahren, die offensichtlich auch die Dolmetscher beeinträchtigt“.

Unterdessen wurde bekannt, daß das Verfahren gegen den noch in Frankreich in Auslieferungshaft sitzenden Casim Kilic vermutlich vom Düsseldorfer Prozeß abgetrennt wird. An den kommenden Verhandlungstagen werden Angeklagte und Verteidiger damit fortfahren, ihre Begründung für den Antrag auf Einstellung des Verfahrens zu verlesen. Gestern man lediglich ein paar Absätze weiter. Kurz nach der vorgezogenen Mittagspause schloß der Vorsitzende Belker die Verhandlung. Der Grund: Nach dem Ausfall vom Vormittag verfügte das Gericht über keine fähigen Dolmetscher mehr. Für kommenden Montag will man nun neue Übersetzer suchen.