Verschwitzte Socken in der Vitrine

Eine Reise in die Welt der Sportmuseen / Ein zentrales „Deutsches Sportmuseum“ entsteht in Köln  ■  Von Martin Krauß

Köln (taz) - Wenn Becker schlägt, dann schwitzt er. Schuhe und Socken stinken. Das gleichfalls miefige Hemd wird des öfteren gewechselt. Nach dem Match aber, wenn Becker interviewt wird, strahlt er. Stinkende Schuhe, Socken, Shirts und der Schläger sind weg. Wo? Im Museum!

Gegenwärtig gibt es über 400 Sportmuseen weltweit. Kleine Privatsammlungen von Medaillen, Urkunden, Briefmarken genauso wie einzelne Tennis-, Baseball- oder Fußballmuseen. Es gibt „Halls of Fame“, vor allem in den USA und Kanada angesiedelte „Ruhmeshallen“, genauso wie Museen und Ausstellungen, die sich bemühen, die Körperkultur der Griechen und Römer sowie die Entwicklung des Sports seit Mitte des letzten Jahrhunderts darzustellen.

Sportmuseen ganz unterschiedlicher Art gibt es mittlerweile von Ägypten bis Zypern, von Benin bis Uruguay. Es gibt sie in über 50 Staaten. Von den bisher existierenden zählen die in Paris, Melbourne und Budapest befindlichen sicherlich zu den interessantesten. Das erst 1988 in Paris eröffnete „Musee du Sport Francais“ stellt unter der Tribüne des Prinzenparkstadions 350 Schätze aus einem Bestand von über 40.000 Objekten aus. Die fünf Abteilungen haben so bemerkenswerte Namen, daß es sich lohnt, sie aufzulisten: „1. Die ersten Schritte (1850-91), 2. Ein Platz an der Sonne (1891-1914), 3. Die Zeit der Reife (1914-39), 4. Evolution (ab 1945), 5. Oder Mutation? (bis zur Gegenwart).“

Im australischen Melbourne bemühte man sich beim Aufbau der „Australian Gallery of Sports“ um die Mischung aus drei zum Teil gegensätzlichen museumspädagogischen Konzepten. Zum einen wurden verschiedene „halls of fame“ eingerichtet, zu Ehren von berühmten australischen SportlerInnen, wie etwa der legendären Schwimmerin Dawn Fraser. Zum zweiten finden sich dort auch Ausstellungen, die Entwicklung und Perspektiven des Sports in all seinen Schattierungen und Problemen darstellen - Trainings- und Wettkampfgeräteentwicklung, Sportmedizin, Drogen und Doping, aber auch Entwicklung des Frauensports und Geschichte des Arbeitersports.

Kunst und Sport

Das dritte zu integrierende Element war für die Melbourner MuseumsmacherInnen, die ihr Haus direkt am historischen „Melbourne Cricket Ground“ bauten, der Bereich Kunst und Sport, also die Darstellung der Schwitzerei in den bildenden Künsten, sei es Malerei, Bildhauerei oder ähnliches. Viele bekannte Künstler und Künstlerinnen wie Robert Rauschenbach, Roy Lichtenstein u.a. stellten sich dem Sport, und auch von Schriftstellern und Schriftstellerinnen wie Musil, Brecht, Oates existieren wunderschöne Sportgeschichten.

Einen etwas anderen, eher an die sporthistorische Forschung im engeren Sinne angekoppelten Versuch unternahm man in Ungarn. Neben Wanderausstellungen hat man dort sehr gründlich die Geschichte des ungarischen Arbeitersports und die Entwicklung der Leichtathletik in Ungarn aufgearbeitet. Insgesamt ein hervorragendes Beispiel, wie man ohne verschwitzte Hemden ein interessantes Sportmuseum aufziehen kann.

Die Idee, den Sport - sei es in Form von Sportgeräten oder stinkenden Socken - ins Museum zu stellen, gewann erstmals Mitte der 20er Jahre viele Anhänger. Die erste Phase der Sportentwicklung - der aristokratische Gentleman-Sport zur Wehrertüchtigung und zum Zeitvertreib - war abgeschlossen. Auf einmal sportelten die Massen. Die Sportverbände wuchsen ins Unermeßliche. Mit der Eroberung des Weltmarkts zählte man auf einmal Weltrekorde, und wissenschaftliche Trainingsmethoden brachen sich Bahn. Der schöne alte Gentleman-Sport, wo Fairplay noch Ausdruck des gesicherten aristokratischen und großbürgerlichen Freizeitvergnügens war, und wo die Amateurregel noch dazu herhalten konnte ja, eigens dafür geschaffen wurde - sporttreibende Arbeiter (und erst recht Arbeiterinnen) von Wettkämpfen fernzuhalten, war vorbei. Diese Leute erdreisteten sich, durch tägliche körperliche Fabrikarbeit ihre Muskeln aufzubauen und sich damit unsportliche Vorteile gegenüber den wahren Gentleman -Amateuren zu erschleichen. Die Zahl der Trauernden über das Ende dieser Art von Sport war freilich zu gering, um eine wirkliche Museumsbewegung oder ähnliches zu initiieren. Immerhin: in Deutschland bemühte man sich ab 1925, ein „Museum für Leibesübungen“ aufzubauen, das 1934 wieder aufgelöst wurde.

In der BRD hatte der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees, Willi Daume, die Errichtung eines Sportmuseums bereits 1972 im Umfeld der Münchner Spiele angeregt. Zehn Jahre später gründete sich der Verein „Deutsches Sportmuseum“. Vier Ziele gab man sich: 1. Sicherung wertvollen Kulturguts auf dem Gebiet des Sports mit Bezug zur deutschen bzw. bundesdeutschen Geschichte, 2. Darstellung der Sportentwicklung in all ihren Bezügen (sozial, ökonomisch, politisch, kulturell), 3. Begegnung von Sport und Kunst und 4. Darstellung der - teils problematischen - Perspektiven des Sports. Zum bisherigen Fundus gehören neben einer recht großen Plakatesammlung (ca. 3.500 Exemplare) auch ein komplettes sportmedizinisches Labor vom Anfang der 60er Jahre - aus dem Nachlaß eines Pioniers der Sportmedizin, dem Kölner Professor Hugo Wilhelm Knipping. Standort des Museums soll das Gelände des Kölner Rheinauhafens sein, die Eröffnung im Olympiajahr 1992 stattfinden.

Doch längst nicht alle Kölner und Kölnerinnen sind froh über das neue Museum. Sehen die einen eine wünschenswerte Bereicherung der Museumslandschaft, fürchten andere eine vom Deutschen Sportmuseum ausgehende Dominanz der Rheinauhafenhalbinsel, die eine sinnvolle Südstadtkonzeption zunichte mache.

Spannend wird auch die Auseinandersetzung um die Inhalte. Doping, Durchkapitalisierung, Zukunft oder Ende des Vereinssports - die großen Fragen des heutigen Sports sind auch Aufgaben für ein modernes Museum. Wichtiger jedenfalls als Beckers Kochwäsche.