Justizskandal: Gefängniswärter der „Birmingham Six“ packt aus

London (taz) - Der Druck auf die britische Regierung wächst, den Fall der „Birmingham Six“ wieder aufzurollen. Die Menschenrechtsorganisation amnesty international hat am Mittwoch einen Bericht veröffentlicht, in dem sie Zweifel an Angaben von Polizisten äußert, die behauptet hatten, die Gefangenen seien nicht mißhandelt worden seien. Diesen polizeilichen Aussagen widersprach erstmals auch ein Gefängniswärter in aller Öffentlichkeit.

Die sechs Iren wurden vor 14 Jahren zu lebenslänglichen Freiheitsstrafen verurteilt, weil sie angeblich einen Bombenanschlag in Birmingham verübten, bei dem 21 Menschen ums Leben kamen. Vor Gericht gaben die Angeklagten an, daß die Polizei der West Midlands die Geständnisse aus ihnen herausgeprügelt hätte.

Ein Gefängniswärter bestätigte nun gegenüber dem 'Guardian‘, daß die Gefangenen schon bei ihrer Ankunft im Gefängnis verprügelt worden seien. Damit sollten offenbar die Verletzungen, die ihnen in Polizeigewahrsam beigebracht worden waren, vertuscht werden. Der Wärter sagte: „Ich habe diese Männer nackt gesehen. Sie hatten so viele Verletzungen, daß ich sie nicht mehr alle aufzählen kann. Einige der Wunden waren neu, aber andere waren so alt, daß sie nicht von den Prügeln im Gefängnis stammen konnten.“

Diese Tatsache ist den Behörden bereits seit fünfzehn Jahren bekannt. Der Gefängniswärter sagte, er habe seine Aussage bereits im Jahr 1974 gemacht und bei einer polizeiinternen Untersuchung vor zwei Jahren wiederholt.

Die Polizeieinheit der West Midlands, die für die Verhöre der Birmingham Six verantwortlich war, wurde in diesem Sommer aufgelöst. Den Beamten ist nachgewiesen worden, daß sie in mehreren Fällen Geständnisse aus Gefangenen herausgeprügelt hatten. Dennoch erklärte Innenminister Douglas Hurd am Mittwoch, er sehe keinen Grund, eine Revision des Urteils gegen die Birmingham Six zuzulassen. Er sagte: „Es gibt zur Zeit keine neuen Beweise.“

Ralf Sotscheck