IG Metall bietet Grünen Zusammenarbeit an

Grundsatzreferat von Steinkühler in Berlin / Der IG-Metall-Vorsitzende wagt sich an heilige Kühe: die Autoindustrie  ■  Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Nach all dem Gerede über Zukunft, nach aller Verunsicherung darüber, daß nach der Perestroika des Franz Steinkühler in der IG Metall nichts mehr so bleibt wie es war, kam am Donnerstag dann endlich von höchster Stelle etwas fürs Gefühl. Am Schluß seines Grundsatzreferats auf dem Berliner Gewerkschaftstag der IG Metall bekannte sich ihr Vorsitzender Steinkühler als Konservativer: „Unsere Gegner schelten uns unmodern und unflexibel. Ich sage ihnen: Ja, Ihr habt recht.“ Denn die Gewerkschaften seien höchst altmodisch, wenn es um die Bewahrung der Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität gehe. „Wir standen nie auf der Seite der Mächtigen! Wir haben nie einen Krieg unterstützt! Wir haben nie Diktaturen getragen oder mit ihnen kollaboriert!“ rief Steinkühler den Delegierten zu und erntete jubelnden Beifall. Die innergewerkschaftliche Welt war in diesem Moment wieder in Ordnung und die Erleichterung vielen Delegierten aufs Gesicht geschrieben, daß sie sich mit ihrer Organisation doch noch identifizieren können, obwohl alles unübersichtlicher, komplizierter geworden ist. Auch darauf ging Steinkühler ein.

Ausführlich beschäftigte sich der IG-Metall-Vorsitzende mit dem Umbruch in Osteuropa. „Bankrott sind nicht die Ideen der sozialen Demokratie, sondern die kommunistische Diktatur. Gesiegt hat nicht der Kapitalismus über den Sozialismus, sondern die Idee der Demokratie über die Diktatur“, spitzte Steinkühler seine Einschätzung des Veränderungsprozesses in Osteuropa zu. Perestroika sei eine Hoffnung für die Ideale des demokratischen Sozialismus, den es ohne freie Gewerkschaften nicht geben könne. Für die in den osteuropäischen Staaten sich formierenden unabhängigen Gewerkschaften sieht Steinkühler viel Arbeit voraus. An die „Adresse unserer Kolleginnen und Kollegen in Polen, Ungarn und der Sowjetunion“ gerichtet, warnte er vor leichtfertiger Übernahme des real existierenden Kapitalismus: „Paßt auf, hütet Euch vor ungewollten Konsequenzen. Laßt Euch nicht den ideologischen Ballast der Neokonservativen bedenkenlos mitverkaufen.“ Was heute an sozialen Sicherungen eingerissen werde, „wird morgen kaum noch durch Reformen zu korrigieren sein“, meinte Steinkühler und versprach den Kollegen im Osten die Unterstützung seiner Organisation.

Im innenpolitischen Teil seines Referats betonte der IGM -Vorsitzende ausdrücklich die Aufgabe der Gewerkschaften, den ökologischen Umbau der Produktion zu unterstützen. Bereits am Mittwoch hatte der Gewerkschaftstag beschlossen, den Satzungsauftrag der IG Metall über Frieden, Abrüstung und Völkerverständigung hinaus um den „Schutz der natürlichen Umwelt zur Sicherung der Existenz der Menschheit“ zu erweitern. Dabei soll nun auch die Autoindustrie, Kerngebiet des IG-Metall -Organisationsbereichs, nicht mehr ausgespart werden. Steinkühler kündigte die Erarbeitung einer Konzeption zur ökologischen Umgestaltung des Individual- und Güterverkehrs an. Arbeitsgruppen mit Belegschaftsvertretern der Autokonzerne gibt es bereits. Um allerdings eine ökologische Umgestaltung zu ermöglichen, müsse die alte gewerkschaftliche Forderung nach Demokratisierung der Wirtschaft erfüllt werden. „Wackersdorf hat bewiesen, die Richtlinienkompetenz in der Energiepolitik liegt nicht beim Bundeskanzler, sondern beim Veba-Konzern.“

Die politische Konsequenz aus dem ökologischen Wertewandel der IG Metall zog Steinkühler deutlich wie nie: Die Grünen seien zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft geworden, „auf dem Weg vom politischen Protest zur politischen Gestaltung“. Die IG Metall sei „zu einer vernünftigen, kooperativen politischen Zusammenarbeit mit den Grünen bereit“. Die SPD ermahnte er, ohne Oskar L. namentlich zu erwähnen, bei aller Notwendigkeit für das „ökologische oder frauenpolitische Profil“, daß sie „niemals mehrheitsfähig wird, wenn sie ihr soziales Profil vernachlässigt“.