Große Koalition befürwortet Gentechnik-Gesetz

Bundestag verabschiedet Bericht über Chancen und Risiken der Gentechnik / Gen-Gesetz soll noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden / Nur die Grünen stimmten gegen den von kritischen Vorbehalten bereinigten Enquete-Kommissionsbericht  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Nun werde die Industrie einen „ausgewiesenen Gentechnologiekritiker“ im zentralen Genversuch -Bewilligungsgremium „ZKBS“ akzeptieren, begrüßte der SPD -Abgeordnete Wolf-Michael Catenhusen als Erfolg, was eigentlich selbstverständlich sein müßte. Dieses Schlaglicht machte in der gestrigen Debatte des Bundestags zum Bericht der Enquetekommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“ deutlich, wie bescheiden man inzwischen sein muß. Wie sehr die Zeit den Politikern im Nacken sitzt, läßt sich am Gegenstand der zweistündigen Diskussion ablesen: Der Bericht der 1984 eingerichteten Enquetekommission liegt seit nahezu drei Jahren vor. Die Forschung hat seitdem Riesenschritte gemacht, und der genetische Fingerabdruck hat mittlerweile ohne gesetzliche Regelung Eingang in Gerichtsverfahren gefunden. Was damals an kritischen Vorbehalten eingebracht wurde - so empfahl die Kommission ein fünfjähriges Moratorium für Freisetzungsversuche bei gentechnisch manipulierten Organismen -, ist seitdem in den Ausschüssen mit 174 Änderungen herausgefiltert worden. Die gestrige Verabschiedung des Berichts gegen die Stimmen der Grünen dient vor allem dazu, dem Gentechnologie-Gesetz der Bundesregierung Rückendeckung zu verschaffen, das Freilandversuche und einen nahezu vollständigen Ausschluß der Öffentlichkeit bei Genehmigungsverfahren vorsieht.

In der Frage der Gentechnologie, das machte die Debatte deutlich, gibt es einen weitgehenden Konsens zwischen der Regierungskoalition und der SPD. „Euphorie oder pauschale Ablehnung ist fehl am Platz“, formulierte Catenhusen, Vorsitzender des Forschungsausschusses. Es gehe um „sinnvolle Grenzen“, nicht um Verhinderung. Auch riskante Forschungen seien für mögliche Erfolge bei der Bekämpfung von Krankheiten nötig, ist sich Catenhusen mit Forschungsminister Riesenhuber einig. Den Rahmen soll das Gentechnologie-Gesetz setzen, das noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll.

Die große Koalition ist sich einig in der Forderung nach einem Verbot von Genmanipulationen bei menschlichen Embryonen und dem Freisetzungsverbot von gentechnisch veränderten Viren. In der Bewertung der ethischen Probleme bei der Anwendung einer pränatalen Genetik stimmt man ebenfalls überein; „Menschenzucht“ wird strikt abgelehnt, doch mit Hinweis auf die mögliche Früherkennung von Behinderungen ein pauschales Verbot verworfen.

Differenzen zur Regierungskoalition hat die SPD in einem Änderungsantrag deutlich gemacht. So lehnt sie jegliche Genforschung im militärischen Bereich ab wie auch die Entwicklung herbizidresistenter Pflanzen, weil dadurch der Einsatz von Giften in der Landwirtschaft stabilisiert werde. Festgehalten wird auch am Verbot von Freisetzungsversuchen für fünf Jahre. Bei Versicherungsabschlüssen und am Arbeitsplatz werden Erbgut-Untersuchungen, mit denen besonders geeignete Beschäftigte für giftige Arbeitsplätze selektiert werden könnten (was in den Vereinigten Staaten bereits praktiziert wird), „prinzipiell abgelehnt“. Anwendung finden soll nach SPD-Vorstellungen die Erbgutanalyse nur für die Früherkennung von Gesundheitsrisken.

Die Grünen leiten ihre Ablehnung vom Risikopotential durch unkontrollierbare Freisetzungen ab, von der behördlichen Überforderung bei Genehmigungsverfahren, von aufgetretenen unerwarteten Fehlentwicklungen bei Versuchen. Eine Erbgutanalyse am Arbeitsplatz soll generell verboten werden. Für die Abgeordnete Bärbel Rust ist der Gentechnik-Entwurf ein „dilettantisches Machwerk“, bei der sich das Parlament durch eine Fülle von notwendigen Rechtsvorschriften selbst „entmachtet“, die Öffentlichkeit und die Mitsprache der Bundesländer ausgehebelt werde und die „Anwender über die Anwendung“ entschieden. Solange es „kein demokratisches Konzept für den gesellschaftlichen Umgang mit dieser Technik gibt“, bleibe deshalb nur die Forderung nach einem Verbot.