BND-Befragung sorgt für Aufregung

Hessischer Innenminister war über die „Hauptstelle für Befragungswesen“ nicht informiert / Bundeskanzleramt als Koordinationsstelle / „Ados„-Datei des Verfassungsschutzes im rechtsfreien Raum / Bundesdatenschutzbeauftragter fordert gesetzliche Regelung  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Der Bundesnachrichtendienst (BND) in München hüllt sich in Schweigen - wie sich das für einen Geheimdienst gehört. Und bei der „Hauptstelle für Befragungswesen“ im hessischen Gießen verweist ein Herr Adam auf das Bundeskanzleramt - sein Amt dürfe ohne Anweisung aus Bonn „keinerlei Auskünfte“ geben. Auf Nachfrage war dann ein Sprecher des Kanzleramtes bereit, zumindest einen Zipfel des Geheimnisses zu lüften, das die abgeschirmte „Hauptstelle für Befragungswesen“ (siehe taz von gestern) bislang umgab: Die unbemerkt von der Öffentlichkeit seit Ende der 50er Jahre operierende „Hauptstelle für Befragungswesen“ in Gießen hat die Aufgabe, für den gleichfalls direkt dem Bundeskanzleramt unterstellten Bundesnachrichtendienst (BND) durch „Befragung auf freiwilliger Basis“ Informationen zu beschaffen. Zu weiteren Auskünften war Kanzleramtsreferent Dr. Guddart nicht zu bewegen. Auch über die Anzahl der Zweigstellen des in Gießen angesiedelten „Hauptamtes für Befragungswesen“ wollte sich der Sprecher nicht äußern.

Daß das Gießener Amt zur Zeit hauptsächlich ehemaligen DDR -Bürgern und anderen Ostblockaussiedlern „auf freiwilliger Basis“ Informationen über die berufliche- und private Lebenssituation in den Herkunftsländern zu entlocken versucht, wissen die Grünen im hessischen Landtag von den Betroffenen selbst. Insbesondere würden ehemalige SED -Mitglieder und Angehörige „interessanter Berufsgruppen“ etwa Ingenieure - in Gießen vorgeladen. Daß Hessens Innenminister Milde (CDU) bis gestern nichts von der Existenz der „Hauptstelle für Befragungswesen“ in seinem Bundesland wußte, werteten die Grünen als Beleg dafür, daß die Aktionen des Amtes - „insbesondere seit dem massenhaften Zustrom von Aus- und Übersiedlern“ - in Bonn (Kanzleramt) und München (BND) zur „geheimen Kommandosache“ erklärt worden seien.

BND-Sprecher Queck teilte auf Nachfrage mit, daß der Geheimdienst nur mittelbar mit der „Überprüfung“ von Aus und Übersiedlern aus dem Ostblock befaßt sei. Eigentlich zuständig seien die Verfassungsschutzbehörden der Länder. Fragen nach der Zusammenarbeit zwischen BND und Verfassungsschutz wollte Queck nicht beantworten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz unterhält in Köln die einzige bislang öffentlich bekanntgewordene Datei mit Datenmaterial über Aus- und Übersiedler („Ados“). Die Datenschutzbeauftragten der Länder halten jedoch die Speicherung der Daten von Aus- und Übersiedlern ohne gesetzliche Grundlage für „höchst bedenklich“. Und auch der Bundesdatenschutzbeauftragte sprach - im Gegensatz zu Stellungnahmen aus dem hessischen Innenministerium - von einer „besonders problematischen Rechtslage“. Innenminister Milde verteidigte dagegen die „Ados„-Datei des Verfassungsschutzes mit Fortsetzung auf Seite 2

FORTSETZUNGEN VON SEITE 1

dem Hinweis auf die Notwendigkeit der Spionageabwehr. Das „Ados„-System sei im übrigen eine Bundesangelegenheit, an der Landesbehörden nicht beteiligt seien.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte hat inzwischen den Gesetzgeber aufgefordert, eine rechtliche Grundlage für den Zugriff auf die Daten der Aus- und Übersiedler zu schaffen. Ob die Praxis der Erfassung bis dahin gebilligt werden könne, müsse geprüft werden. Hessens Datenschutzbeauftragter Simitis ist da schon weiter: Anfang Dezember will er dem Landtag einen ausführlichen Bericht zum Thema vorlegen.