Ein gewisses Niveau der Presse

■ Wie durch Simbabwes größten Korruptionsskandal zwei Chefredakteure ihre Posten verloren

Richard Carver

In Großbritannien gibt es eine altbewährte Methode für den Umgang mit unerwünschten Politikern: Sie werden geadelt und „die Treppe hochgeschubst“. In Simbabwe, wo man sich sonst von den Traditionen Westminsters wenig beeindruckt zeigt, wird ebendiese Methode im Umgang mit kritischen Journalisten in Anwendung gebracht.

Im Februar fand sich Geoffrey Nyrota, bis dahin Chefredakteur des 'Chronicle‘ von Bulawayo, Simbabwes zweitgrößter Stadt, auf dem neugeschaffenen Posten eines „Group Public Relation Officers“ nach Harare versetzt. Der 'Chronicle‘ hatte einen weitreichenden Korruptionsskandal aufgedeckt, nämlich die Tatsache, daß Regierungsminister von der Willowvale-Montagefabrik in Harare Autos kauften, die sie dann mit riesigen Profiten weit oberhalb des gesetzlich kontrollierten Preises weiterverkauften. Das Ergebnis war, daß Präsident Robert Mugabe einen Untersuchungsausschuß einsetzte, dessen Bericht zum Rücktritt mehrerer Minister führte. Zivilrechtliche Prozesse werden sehr wahrscheinlich folgen.

Auch Nyarotas Stellvertreter beim 'Chronicle‘, Davison Maruziva, wurde befördert, und zwar zum stellvertretenden Chef des 'Herald‘ in Harare unter der Kontrolle des höchst unkritischen Chefs, Tommy Sithole. Seit Stephen Mpofu neuer Chef des 'Chronicle‘ ist, hat es keinerlei Geschichten mehr über Korruption auf den Seiten der Zeitung gegeben.

Der Skandal um die Willowvale-Wagen wurde schnell - und unvermeidlicherweise „Willowgate“ genannt. Im Oktober 1988 war er nur aus Zufall ruchbar geworden, als Obert Mpofu, Geschäftsmann in Bulawayo und Parlamenstabgeordneter, unerwartet einen Scheck über 4.000 Dollar vom Unternehmen Willowvale erhielt. Dieser Scheck war eigentlich bestimmt gewesen für einen Mann namens Alford Mpofu, einen Angestellten von Manilal Naran, der seinerseits ein enger Freund des - damaligen - Industrieministers Callistus Ndlovu ist. (Naran hatte für seinen Freund ein Haus in Bulawayo für 60.000 Dollar gekauft; der Minister war zu dem Zeitpunkt Verantwortlicher für den staatseigenen Willowvale-Betrieb. Später wurde er wegen Devisenvergehen verhaftet.)

Alford Mpofu und ein weiterer Naran-Angestellter, Don Ndlovu, hatten für Naran Mazda-Selbstlader von Willowvale in Empfang genommen. Sie hatten im Voraus bezahlt, aber als die Lieferung kam, stellte sich heraus, daß Mpofu ein billigeres Modell geliefert worden war: daher der Scheck mit seiner Rückzahlung, die an den falschen Mpofu ging.

Der Regierungsabgeordnete Obert Mpofu brachte die Geschichte zu Nyorota, der übrigens früher einmal Pressesekretär Mugabes gewesen ist. In den darauffolgenden Wochen publizierte der 'Chronicle‘ die Affäre; ausführliche Namenslisten wurden veröffentlicht von Ministern, denen Willowvale-Wagen geliefert worden waren sowie detaillierte Berichte über den illegalen Wiederverkauf zum zwei- oder dreifachen offiziellen Preis. Außer dem Industrieminister Ndlovu waren auf höchster Ebene offenbar auch zwei Vertraute Mugabes involviert: der Verteidigungsminister Enos Nkala und der Minister für Politische Angelegenheiten, Maurice Nyagumbo.

Beobachter aus einigen anderen afrikanischen Staaten hatten große Schwierigkeiten zu begreifen, warum Willowgate derartige Leidenschaft erzeugen konnten. In Ländern wie Zaire und Kenya gehört zu den Annehmlichkeiten eines Postens nicht nur ein gelegentlicher Mazda oder Toyota, sondern überhaupt das Recht, jederzeit in die Kasse des Schatzkanzlers zu greifen. Simbabwe jedoch hat seine Unabhängigkeit 20 Jahre nach den meisten afrikanischen Staaten gewonnen. Woanders mag Regierungskorruption mit zynischer Resignation hingenommen werden und die Speichelleckerei der Presse selbstverständlich sein. In Simbabwe jedoch sind die Massen, die „povo“, noch voller Empörung über den sich beständig weitenden Reichtum und auffälligen Konsum ihrer Politiker, der „Chefs“. Eine der beliebtesten Schallplatten war in letzter Zeit Corruption von Thomas Mapfumo.

Die meisten Leute haben in Simbabwe gegenüber offiziellen Nachrichtenmedien eine gesunde Skepsis bewahrt - und einen ausgesprochen heftigen Appetit für wirkliche Nachrichten. Die Kläglichkeit ernsthafter Berichterstattung im 'Herald‘ hat zur Blüte unabhängiger Zeitschriften wie 'Parade‘ und 'Prize Africa‘ geführt, in denen Sport, Mode und Gesellschaftsklatsch mit politischem Journalismus gemischt wird. Als Nyarotas 'Chronicle‘ zu einer wirklichen Enthüllungszeitung aufstieg, gewann er sofort eine begeisterte Leserschaft sowohl in Harare wie in Bulawayo. Im Verlauf der Willowvale-Story bildeten sich jeden Vormittag lange Schlangen von Zeitungskäufern. Ein Freund erzählte mir, wie er an eine Kreuzung mit Kiosk einmal langsam heranfuhr und wie der Verkäufer schon von weitem abwinkte und rief: „Hat keinen Zweck, hab bloß den 'Herald'“.

Zwei Wochen vor Beginn der Willowgate-Geschichte hatten sich die massenhafte Unzufriedenheit über Korruption und die harsche Reaktion der Regierung auf Kritik in zwei anderen Ereignissen gezeigt.

Ende September 1988 hatten Studenten der Zimbabwe -University und des Harare-Polytechnic versucht, gegen die Korruption zu demonstrieren. Die Polizei beschränkte den Protest strikt auf das Campus-Gelände und zerschlug dann die Versammlung mit Tränengas- und Schlagstockeinsatz. Im Anschluß daran mußten sich sogenannte Rädelsführer vor Gericht verantworten, zusammen mit einigen Dozenten, die angeblich geholfen hatten, das Anti-Korruptions-Manifest der Studenten zu entwerfen. Daß am Ende alle Vorwürfe gegen sie fallengelassen wurden, war für den von Kenya exilierten Dozenten Shadreck Gitto kein Trost: er wurde aus Simbabwe ausgewiesen.

Die wirkliche Enthüllung im Zuge dieses Studentenprotestes war jedoch Mugabes Reaktion. Die Studenten hatten gewissermaßen mit seinem Namen auf ihren Fahnen gegen korrupte Minister seiner Regierung protestiert. Zu diesem Zeitpunkt war Mugabe noch über jede Kritik erhaben. Fast alle politischen Kommentatoren in Simbabwe haben sich notwendigerweise der Theorie von „den bösen Ratgebern des Königs“ angeschlossen. Dieser Auffassung gemäß ist Mugabe ein asketischer und aufrechter Mann, der sich nur aus politischer Notwendigkeit mit Gaunern und Taugenichtsen umgeben hat. Als der Studentenprotest stattfand, war er außer Landes. Nach seiner Rückkehr jedoch schockierte er die Studenten und die allgemeine Öffentlichkeit damit, daß er die Polizei unterstützte.

Dies führte unmittelbar zur zweiten Episode.

Edgar Tekere, der unberechenbare frühere Generalssekretär der regierungen ZANU-PF, lancierte einen schmetterenden Angriff auf korrupte Postenhalter und kritisierte darin das erste Mal Mugabe direkt. Die Reaktion kam schnell: Tekere wurde aus der Partei ausgeschlossen. Über Tekere wußte man, daß er Probleme mit dem Alkohol hatte und tatsächlich war er bereits 1981 von seinen Parteiämtern entbunden worden, nachdem nur ein Verfahrensfehler ihn vor einer Verurteilung wegen Mordes gerettet hatte. Dennoch war er vermutlich zu diesem Zeitpunkt - gerade begannen auch die Enthüllungen um Willowvale - ein beliebterer Mann als der asketische Präsident. Hätte er dem Drängen seiner studentischen Anhänger nachgegeben und sofort eine neue Partei gegründet, wären der ZANU-PF die Menschen vermutlich in Scharen davongelaufen. Er wartete jedoch weitere sechs Monate, bevor er seine „Zimbabwe Unity Movement“ (ZUM) ins Leben rief, und bis dahin hatte Mugabe zumindest teilweise seine Glaubwürdigkeit zurückgewonnen.

Im November kam es zu einem weiteren Konflikt zwischen 'Chronicle‘ und Regierung, und noch einmal machte Mugabe schwere Fehler bei der Einschätzung der allgemeinen Stimmung in der Bevölkerung.

Der Journalist Gibbs Dube stattete in Begleitung eines Fahrers namens Philip Maseko dem Gouverneur von Süd -Matabeneland, Mark Dube, einen Besuch ab, um ihn über den illegalen Goldabbau in Esigodini zu interviewen (die beiden Dubes sind nicht verwandt). Das Interview war von Geoff Nyarota arrangiert worden. Nach dem Besuch beim Gouverneur machten sich Gibbs Dube und Masekio auf die Heimfahrt zurück nach Bulawayo. Bald jedoch wurden sie von Mark Dubes Wagen überholt, der Gouverneur und seine Sicherheitsleute zwangen sie zum Anhalten, nahmen ihnen die Autoschlüssel ab und nötigten sie, in ihren Wagen einzusteigen. Man fuhr sie zurück zum Haus des Gouverneurs.

„Der Gouverneur beschuldigte mich, ihn in Mißkredit bringen zu wollen“, sagte Gibbs Dube hinterher. „Er beschuldigte mich, Sensationsmaterial veröffentlichen zu wollen, das überdies nicht der Wahrheit entspräche, wie er sagte. Dann fing er an, mich zu mißhandeln. Zweimal schlug er mit den Fäusten auf mich ein. Dann wollte er eine Bierflasche nach mir werfen, wurde aber von zwei Männern, die im Hause waren, zurückgehalten. Anschließend ging er raus, um aus seinem Schlafzimmer ein Gewehr zu holen, mit dem er mich erschießen wollte, wie er sagte, dann gäbe es große Neuigkeiten, über die man schreiben könnte. Er kam wieder und griff mich noch einmal an, seine Freunde hielten ihn wieder zurück. Schließlich schnappte er sich Maseko und bearbeitete ihn mit den Fäusten. An diesem Punkt rannte ich los und konnte entkommen.“

Maseko wurde der Polizei von Esigodini übergeben, die ihn einige Stunden festhielt; dem 'Chronicle‘ gegenüber dementierte man, daß er dort sei. Dies alles war selbst für die müden Geister im Management der 'Zimbabwe Newspapers‘ zuviel. Der Direktor der Unternehmensgruppe, Elias Rusike, forderte Mark Dubes Bestrafung und sagte, sonst müsse man annehmen, daß die „Rechte der Bürger Simbabwes - mutwillig oder nicht - von den Behörden mit Füßen getreten würden“. Ein stellvertretender Stationsvorsteher der Polizei kritisierte seine Kollegen von Esigondi für ihre Verhaftung Masekos auf Gouverneur Dubes Anordnung hin: „Die Polizei ist dazu da, Menschen zu schützen und nicht, ungesetzliche Befehle auszuführen; denn niemand steht über dem Gesetz.“

Mugabes Reaktion stand hierzu in denkwürdigem Kontrast. Eine gesamte Pressekonferenz verwandte er darauf, „übereifrige“ Reporter anzugreifen und Mark Dubes unerhörte Behauptung zu wiederholen, die beiden Männer vom 'Chronicle‘ hätten sich in sein Haus als Gärtner verkleidet eingeschlichen. „Ein Gouverneur hat sich würdig zu verhalten“, sagte Mugabe, „aber das heißt nicht, daß er nicht provoziert worden ist.“

Vierzehn Tage nach dem Vorfall mit Mark Dube rief Davison Maruziva den Verteidigungsminister Enos Nkala an, um zu hören, was er zu dem Vorwurf der Verwicklung in den Willowvale-Schwindel sagen würde. Nkalas Reaktion ist es wert, ausführlich zitiert zu werden: „Wo haben Sie diese Information her? Diese Informationen haben bei der Polizei und dem Präsidenten zu liegen. Ich möchte Ihre Informationen sofort hier im Büro haben. Wer glaubt ihr, wer ihr seid? Wenn Sie nicht sofort hierher (nach Harare) kommen, werde ich euch allen eine Lehre erteilen. Ich werde euch von der Armee abholen lassen, und dann können Sie ja versuchen, Ihre Fragen zu stellen; mir ist das ganz egal... Dieses Spiel spielt ihr nicht mit mir. Ich bin nicht (Callistus) Ndlovu... Ich bin nicht der Mann, der mit sich so umspringen läßt. Das macht mit allen anderen. Ich stelle Ihnen ein Ultimatum: Wenn Sie bis morgen nicht zurückgerufen haben, um Ihren Besuch hier anzukündigen, dann werden Sie mit anderen Mitteln dazu gebracht. Ich habe die Macht dazu. Ich werde Sie einsperren lassen, zusammen mit Ihrem Chef, der Ihnen die Information gegeben hat. Die Frage muß beantwortet werden. Ich bin stellvertretender Innenminister, und ich werde die Polizei instruieren, eure Büros zu durchsuchen, und das können Sie gerne schreiben.“

Aus der Sicherheit des Rückblicks klingt das wie heiße Luft. Nkala belog den Korruptionsuntersuchungsausschuß und mußte schließlich zurücktreten. Zu diesem Zeitpunkt jedoch war der Innenminister nicht im Land und Nkala besaß die Befehlsgewalt über Armee und Polizei. Und Nkala war immerhin auch derjenige, der 1986 gedroht hatte, jeden einzusperren, der Informationen an Ammesty International schickt. Um zu zeigen, daß er meinte, was er sagte, hatte er damals den Leiter der führenden Menschenrechtsorganisation Simbabwes ins Gefängnis geworfen. Maruziva hatte allen Grund dazu, sich zu fürchten, zumal es erst zwei Wochen her war, daß das Regierungsmitglied Mark Danube einen Reporter verprügelt hatte und offenbar ohne Schaden für sich selbst durchkam.

Nyarota sagte später der Sandura-Kommission gegenüber unter Eid aus: „Einige Leute kamen, um uns direkt und persönlich zu warnen. Sie sagten, wir seien nicht mehr sicher. Und wirklich beorderte mich der Vorsitzende des 'Zimbabwe Mass Media Trust‘ (Hauptaktionär bei 'Zimbabwe Newspapers‘) kurz darauf nach Harare, um mir mitzuteilen, daß die Reaktion bestimmter Regierungsminister sehr heftig sei. Er sagte, er habe mich zur eigenen Sicherheit herbestellt; soweit er verstanden habe, gäbe es Vorbereitungen, mich zuerst zu entlassen und anschließend zu verhaften. Er rief mich nach Harare, damit ich erst mal in Sicherheit war. Man bestätigte mir, daß Callistus Ndlovu, der amtierende Minister war, solange der Informationsminister selbst außer Landes war, die Anordnung getroffen hatte, daß Zimbabwe Mass Medias Trust mich sofort zu entlassen habe - der Trust hatte sich jedoch geweigert.“

Ende Dezember begriff Mugabe schließlich, daß etwas getan werden mußte. Er benannte einen Untersuchungsausschuß, an deren Spitze Richter Wilson Sandura stand; selbst jetzt schätzten viele noch, das Ganze würde lediglich auf eine Aktion zur Weißwaschung herauslaufen. Es stellte sich jedoch heraus, daß der Ausschuß gutbesuchte und höchst dramatische Anhörungen in Harare abhielt, in denen Minister wie Nkala und Ndlovu einem gnadenlosen öffentlichen Verhör unterzogen wurden. Als der Schlußbericht des Ausschusses abgegeben wurde, waren bereits fünf Minister und ein Bezirksgouverneur zum Rücktritt gezwungen worden. Einer von ihnen, Maurice Nyagumbo, nahm sich das Leben - weniger, so schien es, weil er bereits in Mißkredit geraten war als aus Angst vor einem zweiten Untersuchungsausschuß, die den illegalen Handel mit Lastkraftwagen und Bussen untersuchen sollte.

Dies hätte Nyarotas Stunde der Bestätigung und Ehrenrettung sein sollen.

Im Januar jedoch, kurz nach Einsetzng des Untersuchungsausschusses unter Sandura, erklärte der Informationsminister Witness Mangwende, er habe die Absicht, „die Struktur“ des Mass Media Trusts „zu untersuchen“. Schnell wurde klar, daß seine „Restrukturierungsmaßnahmen“ nichts anderes bedeuteten, als den unbequemen Nyarota und seinen Stellvertreter Maruziva auf Posten zu verseten, in denen sie keinen Schaden mehr anrichten könnten. Nyarota wurde auf den vorher nichtexistenten Public Relation Job verschoben und Maruziva hatte ihm kurz darauf nach Harare zu folgen. Offiziell waren das natürlich Beförderungen in Anerkennung ihrer unbeugsamen Haltung, mit der sie jedwede Korruption aufspürten. Aber selbst Mugabe schien Schwierigkeiten zu haben, diese Version widerspruchslos zu vertreten. Er erklärte, niemand könne sich über die Erhöhung seines Gehalts beklagen, kritisierte dann aber im gleichen Atemzug Nyarota für seine „Übereifrigkeit“. Selbst wenn Mugabe sich selbst nicht recht im klaren darüber gewesen sein sollte, ob Nyarotas Beförderung Strafe oder Anerkennung sein sollte, so wußte die Öffentlichkeit genau, welche Botschaft hier rübergebracht werden sollte: Nyarota war befördert worden, weil er zu weit gegangen war!

Nyarotas Entlassung erregte beträchtliches Aufsehen. Der Parlamentsabgeordnete Byron Hove brachte die Angelegenheit auf die Tagesordnung des House of Assembly. Die Minister jedoch zeigten Schulterschluß und wiederholten den allgemeinen Refrain regierungsamtlicher Zensoren: sie seien nicht gegen Kritik, jedoch habe Kritik konstruktiv zu sein. Der Minister für Nationale Sicherheit, Sydney Sekeramayi erklärte beispielsweise: „Ich möchte hier deutlich gesagt haben, daß viele von uns Korruption nicht etwa stillschweigend dulden, und so weit die Presse Korruption aufdeckt, sind wir voll und ganz mit ihr einverstanden. Wenn dies jedoch soweit geht, daß die Presse die Regierung willkürlich als ihren Feind sieht und angreift, dann trennen sich unsere Wege.“

Nyarota ist bereits der dritte Chefredakteur, der für seine Angriffe auf die Regierung seines Postens enthoben wurde. Seine Entlassung wirft - ebenso wie die Entlassung der anderen vor ihm - die wichtigte Frage auf, wer eigentlich in Simbabwe die Presse kontrolliert oder besitzt.

Mit Hilfe eines finanziellen Zuschusses aus Nigeria übernahm die Regierung bei der Unabhängigkeit 1980 die südafrikanischen Anteile des 'Herald‘, des 'Chronicle‘ und der entsprechenden Sonntagszeitungen des Landes; als Hauptaktionär der Gesellschaft 'Zimbabwe Newspapers Limited‘ (1980) wurde der 'Mass Media Trust‘ gegründet. Die Mitglieder der Treuhandgesellschaft repräsentieren dem Namen nach das Volk von Simbabwe, und man wird dort sehr ungehalten, wenn die Zeitungen als Regierungseigentum bezeichnet werden. In der Realität ist jedoch sonnenklar, daß bei Einstellung und Entlassung führender Angesellter das letzte Wort immer der Informationsminister hat.

Im Juli 1985 schrieb Elias Rusike, Direktor von 'Zimbabwe Newspapers‘, einen Entlassungsbrief an Willie Musarurwa, damals Chefredaktuer der 'Sunday Mail‘. Darin hieß es: „Die Regierung, vertreten durch den Minister für Information, Post und Telekommunikation, hat ihrer Auffassung Ausdruck gegeben, daß sich die 'Sunday Mail‘ unter Ihrer Chefredaktion zu einer Oppotionszeitung entwickelt hat.“ Musarawas Hauptvergehen scheint dabei gewesen zu sein, über einen Finanzskandal in der nationalen Fluggesellschaft Air Zimbabwe berichtet zu haben.

1987 veröffentlichte die 'Sunday Mail‘ unter Musarurwas Nachfolger Henry Muradzikwa einen Artikel über simbabwische Studenten, die aus Kuba wegen angeblicher Aids-Erkrankung ausgewiesen worden waren. Die Geschichte erschien zur gleichen Zeit, als ein kubanischer Funktionär Harare seinen offiziellen Besuch abstattete; er protestierte gegen den Bericht. Mugabe versicherte in aller Öffentlichkeit: „Ich werde mich persönlich um den Verantwortlichen kümmern.“ Muradzikwa wurde ebenso wie später Nyarota auf einen Posten versetzt, der ihn von jeder Redaktionstätigkeit fernhielt. Der Mass Media Trust scheint in dieser Angelegenheit nicht einmal gefragt worden zu sein.

Auch nach Nyarotas Entlassung reagierte die Regierung weiterhin mit großer Nervosität auf Kritik in den Medien. Im Mai wurden zwei Journalisten der Zimbabwe Broadcasting Corporation, Robin Shava und Nyika Bara, entlassen, nachdem sie ein kritisches Interview über die neuen Investitionsrichtlinien der Regierung gegenüber geführt hatten. Ihrem Interviewpartner, Kempton Makamure von der Zimbabwe-University, gab man eine Woche in einer Gefängniszelle, um seine ökonomische Philosophie noch einmal zu überdenken.

Shava und Bara bekamen vor ihrer Entlassung noch eine Standpauke vom Informationsminister persönlich verpaßt, obwohl die Regierung, wie üblich, behauptet hatte, die Sache sei eine interne Angelegenheit der ZBC und sie selber habe keinerlei Druck ausgeübt.

Das Interview mit Makamure war vermutlich das erste Mal, daß in den offiziellen Medien einer Gegenposition Gehör verschafft wurde. Und vermutlich war es kein Zufall, daß Makamure einer der Dozenten war, die im Zusammenhang mit den Studentenprotesten im September 1988 angeklagt waren, und daß er einer der prominentesten Korruptionskritiker ist.

Die Aufdeckung von „Willowgate“ war eine außerordentliche Leistung der jungen Presse von Simbabwe. Sie ist zum großen Teil der Übereinkunft zwischen ZANU-PF und ZAPU (von Joshua Nkomo) vom Dezember 1987 zu verdanken. Das Ergebnis war eine neue Ära politischer Offenheit und Lockerungen in den festgefahrenen parteipolitischen Ausrichtungen. Inzwischen sieht es jedoch ganz so aus, als sei dies nur ein vorübergehendes Ereignis gewesen. Edgar Tekeres neugegründete ZUM wird verfolgt, Parteifunktionäre werden verhaftet und ihre öffentlichen Versammlungen verboten. Der 'Chronicle‘ ist in platte Berichterstattung zurückgefallen und der 'Herald‘ ignoriert unter der hoffnungslosen Führung Tommy Sitholes weiterhin jeden Finanzskandal und spuckt Gift und Galle gegen Kritiker der Regierung. Nach einem besonders bösartigen 'Herald'-Artikel über Edgar Tekere schrieb Judith Todd, frühere politische Gefangene und eine Veteranin des Freiheitskampfes, einen offenen Brief an Sithole. Darin heißt es: „Mangel an Information und mutigem Journalismus ist direkte Ursache von Gerüchten. Ein schlagendes Beispiel dafür war das Versäumnis des 'Herald‘, bis zur Ankündigung des Sandura-Untersuchungsausschuses durch den Präsidenten über Willowgate zu berichten. Über dieses Versäumnis des 'Herald‘ ist selbstverständlich viel geredet worden, es gab schließlich auch dem Gerücht Nahrung, daß Tommy Sithole selbst in Willowgate verwickelt ist“.

Judith Todd fährt fort: „Ohne akurate und unverschleierte Informationen ist es für die Leute schwierig, die richtigen Entscheidungen zu treffen, und am Ende wird das selbst für den Staat schädliche Auswirkungen haben. (...) Aber genauso wie die Menschen ein gewisses Niveau im Verhalten ihrer Regierung fordern und schließlich auch bekommnen, genauso fordern sie auch ein gewisses Niveau von der Presse, die für sie da zu sein hat, und werden es am Ende auch bekommen. Um nichts anderes nämlich geht es im Kampf um die Freiheit der Presse.“

Richard Carver ist Direktor der Recherche-Abteilung in der Menschenrechtsorganisation „Africa Watch“. Er besuchte Simbabwe im April 1989.

Auf Deutsch vorliegende Literatur aus Simbabwe:

Dambudzo Marechera: Das Haus des Hungers (1981, Suhrkamp) und Die Haut der Zeit (1989, Graphiumpress, Wuppertal)

Peter Ripken (Hrsg., in Zusammenarbeit mit „Simbabwe Netzwerk“): Pamberi ne Zimbabwe. Geschichten vom Befreiungskampf (1983, Informationsstelle Südliches Afrika)