Die Frau des Präsidenten

■ Eine Begegnung in Khartoum

Manchmal denk‘ ich an Sarah. Was mag aus ihr geworden sein nach dem Putsch? Sarah el Fahdel ist die Frau von Sadik el Mahdi, jenem Politfuchs, dem Militärs in Khartoum das Seil gekappt haben, auf dem er drei Jahre lang die Macht jonglierte.

Alle Wege führten zu Sarah, als ich im Februar in Khartoum wissen wollte, was die Fundamentalisierung des Islam für die Sudanesinnen bedeutet. Sarah sei für die Frage zuständig, wurde mir von vielen Seiten beschieden, sie sei Vorstandsmitglied der damals regierenden UNMA-Partei und verantwortlich für deren Frauenprogramme.

Dümmlich fragte ich in der Parteizentrale, wie ich die Frau von El Mahdi kontaktieren könne. „Welche denn?“ die Rückfrage. Sarah ist nicht die einzige, aber - wie man sagt

-die liebste. Ich hatte die Nase bereits gestrichen voll von den goldbehängten Damen der Khartoumer Oberschicht, die mir mit trainiertem Augenaufschlag versichert hatten, nichts läge ihnen so am Herzen, wie der Frieden im Sudan und das Wohlergehen der Schwestern und Brüder im Süden. Noch so eine, dachte ich.

Die Sicherheitstypen, die ihr Haus bewachten, ließen mich herein zusammen mit einer Frau in einem verwaschenen Tob, dem Umhang, den die Sudanesinnen in der Öffentlichkeit tragen. Sarah begrüßt mich in einem „däm„lichen Salon mit plüschigen Rokokoimitat-Sesselchen. Sie trägt keinen Schmuck, ihr Kopftuch, das kein Härchen rausgucken läßt, die hochgeschlossene, langärmlige Bluse und der lange Rock lassen sie streng wirken. Vielleicht doch nicht noch so eine, denke ich. Ganz informell würde es zugehen, kündigt sie an und bittet mich in einen Raum, in dem vier Diwane im Karree stehen. Zwei Freundinnen räkeln sich bereits dort, Sarah legt sich auf den dritten, während ich mich aufrechten Rückrats auf den vierten setze. Ich könne es mir ruhig bequemer machen, lacht sie über meine Stocksteifheit.

Während sie mir erklärt, daß sie die Forderung nach körperlichen Strafen für unislamisch hält, bringt die Frau, mit der ich zusammen ins Haus gekommen bin, eine Schüssel mit heißem Wasser, Tücher, Fläschchen und eine Schale mit einer fast schwarzen Pampe. „Wir machen jetzt Henna.“ Sarah entschuldigt sich, daß sie diese Prozedur aus Zeitgründen während unseres Interviews macht - ich bin begeistert. Sarah schimpft gerade über die Beschneidung, als die Frau sich auf den Boden setzt, Sarahs Füße in heiße Tücher wickelt und sie mit einem öligen Parfum massiert. Der Duft haut mich schier vom Diwan, und Sarah wettert über die Männer, die den Koran stets als Mittel zur Frauenunterdrückung benutzt haben. Dann wird die Paste in eine Papiertüte gefüllt, und Sarah erteilt mir eine Lektion in islamischer Kosmetik. Hände und Füße werden besonders gepflegt und geschmückt, weil sie sichtbar sind. Sarah trocknet die Stengel des Hennastrauchs in ihrem Garten, zerstampft und vermischt sie vor Gebrauch mit Wasser. Durch eine Öffnung vorn in der Papiertüte drückt die Frau die Henna-Paste heraus und malt Ornamente auf Sarahs Fußsohlen und Blätterranken, die sich auf den Spann hochwinden.

Zwei Stunden trocknet die Hennapaste, dann wird sie abgewaschen und die Muster, je dunkler desto schöner, bleiben auf Sarahs Füßen zurück. Zwei Wochen etwa hält die Bemalung, dann verblaßt sie.

Honigtriefende Süßigkeiten, Datteln, Früchte und Säfte reicht eine Dienerin, und die beiden Freundinnnen wenden ihre stattlichen Pfunde mühsam und doch genüßlich auf dem Diwanen.

Inzwischen bemalt die Frau Sarahs Fingerkuppen und Handinnenflächen. Wir palavern weiter, reden über Gott und die Welt, nur nicht, als gäbe es eine unausgesprochene Übereinkunft zwischen uns, über El Mahdi. Sie ist Sarah el Fahdel und nicht nur eine der Frauen des Premierministers. Sie ist sie selbst, daran läßt sie keinen Zweifel.

Beim Abschied kann sie mir wegen der Hennabemalung keine Hand geben. Sie hält mir den Arm hin und ihre Backe. Nicht, daß ich mir den Kopf zerbreche, was aus El Mahdi wird, der jetzt Gefangener der Militärs ist, nicht daß ich mich im allgemeinen sehr um Präsidentengattinnen sorge, aber manchmal denk‘ ich an Sarah.

Christa Wichterich