Neue Diskriminierungsstrategie

■ Lesben und Schwule - Zum richtigen Sprachgebrauch im Bundestag

So richtig verhandlungsfähig sind Lesben und Schwule nicht im Bundestag, noch nicht einmal sprachlich. Und schon gar nicht in diesen modernen Zeiten, in denen es keiner mehr wagen würde, seinen gesunden Vorurteilen freien Lauf zu lassen. So entwickelte sich seit geraumer Zeit - und wahrlich nicht nur im rechten Spektrum, gleiches gilt für liberale und linke Zusammenhänge - eine neue Strategie, die Diskriminierung der gleichgeschlechtlichen Lebensweise moderat zu ummänteln. Niemand spricht mehr von „schwulen Schweinen“, von „Krankheit und Perversion“, aber jeder gibt vor, im Interesse der „Betroffenen“ zu argumentieren, um damit die Unmündigen vor sich selbst zu schützen. So lehnt der Bundestag denn auch die „emanzipatorische Selbstbezeichnung 'Lesben‘ und 'Schwule'“ ab, schließlich seien das „für die meisten Bürgerinnen und Bürger negativ besetzte Worte“.

Nun bezeugt jede Erfahrung, daß es zu diesem Thema kein vorurteilsfreies Reden gibt, weder in der Wissenschaft noch in der Politik, vom Privaten ganz zu schweigen. Da sollte auch im Bundestag niemand von denen, die am „neutralen“ Homosexuellen festhalten wollen, so tun, als könne das Unvermeidbare mit dem medizinisch Keimfreien in Schach gehalten werden. Nur wenig bemüht soll damit verschleiert werden, daß Lesben und Schwule keinen Anspruch haben auf Eigenständigkeit und daß ihr selbstverständliches Recht auf gleichberechtigte Akzeptanz noch weit entfernt ist.

Abenteuerlich grotesk erscheint in der Debatte die grüne Forderung nach einem öffentlichen Coming-out schwul -lesbischer Bundestagsabgeordneter. In diesen Etagen der Macht die Verbindung zwischen der öffentlichen Figur und der privaten Person einzuklagen mit dem Instrumentarium der Emanzipation kann bei den Angesprochenen nur ein mitleidvolles Lächeln provozieren. Schwule Abgeordnete fahren zweimal pro Jahr in ihr kleines Hotel nach Marrakesch, damit muß es dem geheimen Unterleib genug sein. Ansonsten sitzen die gewählten Volksvertreter auf ihren Stühlen, Normalität und gesundes Empfinden zu repräsentieren. Nur die gelungene Spaltung prädestiniert sie für ihre Rolle. In Ausübung ihrer Macht - vor allem darum geht es - müssen jegliche Störungen mißachtet werden, sonst würde das Gefüge sich nicht mehr halten.

Elmar Kraushaar