„In Nicaragua fällt die Entscheidung“

Gaby Gottwald, Koordinatorin des Grünen Solidaritätsfonds, zur Kritik am Kredit für die Sandinistische Partei  ■  I N T E R V I E W

taz: Gaby Gottwald, du koordinierst den Grünen Solidaritätsfonds, aus dem nun die nicaraguanische FSLN für ihren Wahlkampf gesponsert wird. Macht ihr damit nicht eine Parteienfinanzierung, die die Linke sonst immer kritisiert hat?

Gottwald: Das stimmt, es ist natürlich Parteienfinanzierung, und es ist auch richtig, daß so etwas im Rahmen linker Solidaritätsarbeit ungewöhnlich ist. Das Problem ist aber doch, daß es sich jetzt um eine außergewöhnliche Zuspitzung in Nicaragua handelt, auf die wir auch mit außergewöhnlichen Maßnahmen reagieren wollten. Tatsache ist, daß die andere Seite mit sehr viel Geld arbeitet und die FSLN praktisch kaum Mittel zur Verfügung hat.

Nun wird ja nicht irgendeine Partei finanziert, sondern die Regierungspartei. Besteht nicht die Gefahr, daß die Grünen mit der künftigen Regierungspolitik Nicaraguas, falls die FSLN die Wahl gewinnt, identifiziert werden?

Das finde ich Unsinn. Die Leute, die jetzt diese Kritik üben, haben sich vorher überhaupt nicht um Nicaragua gekümmert. Wir haben dagegen auch bislang schon Kritik an der FSLN geübt. Wichtiger aber ist: soll der revolutionäre Prozeß in Nicaragua weitergehen, dann muß diese Partei an der Regierung bleiben. Hinterher können wir uns über die Differenzen zur FSLN austauschen. Es geht ja nun wirklich um die Entscheidung in Nicaragua - das hat ja auch die Solidaritätsbewegung außerhalb der Grünen begriffen, für die Parteienfinanzierung etwas völlig ungewöhnliches ist.

Ihr habt die Kampagne mit einem Kredit angeschoben...

Nein. Nicht der Solidaritätsfonds, sondern der Grüne Bundesvorstand hat auf einer Sitzung am 18. September beschlossen, daß die Grünen eine Spendenkampagne innerhalb der Partei machen. Erst drei Wochen später hat sich der Vergaberat des Solidaritätsfonds getroffen und über den Kredit entschieden.

Eure Kritiker sagen ja: Das Geld kommt sowieso nicht zurück - es wäre ehrlicher gewesen, gleich eine Schenkung zu vereinbaren.

Nein, das ist falsch. Wir haben mit der FSLN vertraglich fixierte Rückzahlungsmodalitäten vereinbart und gehen in der Tat davon aus, daß sie das Geld zurückzahlt, wenn wir den Kredit nicht selbst durch Spenden ablösen können. Wir haben nie darüber gesprochen, eine Schenkung als Kredit zu deklarieren. Wir würden natürlich das Geld lieber an die FSLN verschenken.

Warum habt ihr es denn dann nicht getan?

Ich glaube, wir hätten aus Gründen der Akzeptanz dann erst auf einem Parteitag darüber reden müssen. Wir haben uns dagegen überlegt, wie wir auf die finanzielle Notlage der FSLN schnell mit unseren Mitteln reagieren können und dann langfristig, durch eine Kampagne in der Partei, das Geld für den Kredit aufbringen.

Wofür wird der Solidaritätsfond denn eigentlich verwandt, wenn ihr keine Parteikredite vergebt? Es hat doch im letzten Jahr einen Konflikt gegeben, als ihr Wiederaufforstungsmaßnahmen in Nicaragua nicht mitfinanzieren wolltet.

Wir können mit unseren geringen Mitteln keine größeren entwicklungspolitischen Projeke finanzieren, da wir nur über die Zinsen des Vermögens von 5,5 Millionen Mark verfügen. Tatsächlich wollen wir aber auch nicht Aufgaben übernehmen, für die es längst andere Institutionen gibt, die sehr viel mehr Geld haben. Für uns geht es darum, daß wir dort einspringen, wo die anderen Institutionen nicht tätig werden können oder aus politischen Gründen nicht wollen. Zum Beispiel wollte eine evangelische Frauengruppe vor zwei Jahren eine Kampagne zum Bankenboykott gegen Südafrika machen, die die Kirche aus politischen Gründen nicht finanziert hat. Da sind wir eingesprungen. In einem anderen Fall haben wir die Einrichtung eines Radiosenders der Vereinigten Linken in Peru unterstützt - ein Vorhaben, das sicher über andere Entwicklungshilfe-Einrichtungen nicht gelaufen wäre.

Interview: Jürgen Gottschlich