piwik no script img

„Ados“ - Grüne machen mobil

■ Verwirrspiel der Behörden bei Aus- und Übersiedlerdatei „unerträglich“ / Innenminister Milde (CDU) führt Öffentlichkeit hinters Licht / Hessische Behörden sehr wohl an Schnüffelei beteiligt

Frankfurt (taz) - Die Grünen im hessichen Landtag werfen Innenminister Milde (CDU) vor, in Sachen „Ados„-Datei des Verfassungsschutzes mit einem „Verwirrspiel“ aus Bestätigungen und Dementis die Öffentlichkeit hinters Licht geführt zu haben. Dabei sei unumstritten, daß personenbezogene Daten aller aus der DDR in die Bundesrepublik kommenden Personen auch unter hessischer Beteiligung in „Ados“ gespeichert würden. Eine solche Beteiligung etwa des hessichen Landesamtes für Verfassungsschutz hatte Milde am Donerstag dementiert. Nach den Einlassungen des Innenministers laufe das „Ados„ -Programm ausschließlich unter der Regie des Bundesamtes für Verfassungsschutz in Köln. Die Grünen halten dagegen, daß das Bundesinnenministerium eingeräumt habe, daß es sich bei „Ados“ um eine Verbunddatei handele, deren Notwenigkeit von den Landesämtern für Verfassungsschutz ausdrücklich bejaht worden sei. Rupert v. Plottnitz (Grüne): „Schon weil es sich um eine Verbunddatei handelt, steht fest, daß auch Hessen an der Ausschnüffelung von Aus- und Übersiedlern beteiligt ist.“

Verfassungsrechtlich geradezu „abenteuerlich“ sei die von Milde geäußerte Auffassung, die „Ados„-Daten müßten schon deshalb gesammelt und gespeichert werden, weil Aus- und Übersiedler einmal als Zeugen in Spionagefällen gefragt sein könnten. Der Innenminister, so die Grünen, beherrsche offenbar bis heute noch nicht das „kleine Einmaleins“ des Grundrechtes auf Selbstbestimmung im Umgang mit personenbezogenen Daten.

Auf der Sitzung des Hauptausschusses des Landtages am 3. November soll Milde dem Parlament einen Bericht über „Ados“ liefern. Der Minister soll vor dem Hauptausschuß auch offenlegen, welche Rolle die ominöse BND-Behörde „Zentralstelle für Befragungswesen“ in Gießen spiele, von deren Existenz Milde bis Mittwoch „nichts gewußt“ haben will. Auch der Innenausschuß des Bundestages wird sich am 8.11. mit der „Ados„-Datei des Bundesamtes für Verfassungsschutz beschäftigen.

Obgleich das Bundeskanzleramt noch am Donnerstag die Auskunft über die Anzahl der existierenden Zweigstellen des „Hauptamtes für Befragungswesen“ in Gießen verweigerte, steht inzwischen fest, daß es in der Bundesrepublik insgesamt acht Zweigstellen der BND-Behörde gibt: München, Nürnberg, Düsseldorf, Kassel, Hannover, Hamburg, Mainz und Stuttgart. Die „Befragungsstellen“ wurden unter der Regie von Gehlen Ende der 50er Jahren eingerichtet, um den „Heimkehrern“ aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft Informationen über das damalige „Reich des Bösen“ zu entlocken.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen