Der schnelle Brüter der Schiene

■ Bonner Streit um die Magnetbahn Transrapid / Auch die Strecke Essen-Bonn wäre teuer und unsinnig

Die Magnetbahn Transrapid sollte die „technologische Lücke“ zwischen Flugzeug und Bahn schließen und dereinst mit Tempo 500 von City zu City rasen. Doch die als Vekehrsoption fürs nächste Jahrtausend gefeierte Technologie ist umstrittener denn je. Jetzt will Forschungsminister Riesenhuber, unterstützt von Wirtschaftsminister Haussmann, sein Lieblingsspielzeug auf der Strecke Essen-Bonn fahren lassen. Verkehrsminister Zimmermann, von seinen Beamten mühsam auf Gegenkurs gehalten, wackelt.

Als am 5. Oktober der Haushaltsausschuß des Bundestages zusammentrat, rieben sich einige Abgeordnete verwundert die Augen. Entgegen allen Gepflogenheiten und ohne jegliche Absprache mit dem Verkehrsausschuß wurden die Haushälter mit einem neuen „Leer-Titel Transrapid“ konfrontiert. Nachträglich und auf die schnelle hatte die Bundesregierung den Posten ohne Geldbetrag, der lediglich als politische Etatposition gilt, in den Einzelplan 12 aufgenommen, den Haushalt des Bundesverkehrsministers. Die symbolische Tat, von manchen als bloße Beruhigungspille für Thyssen, den Führer des Transrapid-Konsortiums, abgetan, signalisiert gleichwohl, daß im heftigen Streit um den Magnetzug das Verkehrsministerium bedenklich wackelt.

„Keine Mark für den Transrapid“, hatte Minister Zimmermann noch im Sommer verkündet und damit wütende Proteste der ThyssenAG gegen die „anhaltenden Attacken des Bundesverkehrsministeriums“ ausgelöst. Doch inzwischen befürchtet nicht nur der grüne Verkehrsexperte Michael Weiss, daß sich in dem Clinch „das Ministerium nicht mehr halten kann“.

Im Streit mit Forschungsminister Riesenhuber hat Zimmermanns Haus einen zunehmend schweren Stand - nicht zuletzt weil Wirtschaftsminister Haussmann und sein Staatssekretär Riedl verstärkt für den Transrapid in den Ring klettern. Vor allem Riedl mausert sich allmählich zum Cheflobbyisten für den vermeintlichen Exportschlager. „Die wollen das auf jeden Fall durchziehen“, befürchten Fachbeamte im Verkehrsministerium.

Nach außen gibt sich das Haussmann-Ministerium moderat: „Natürlich haben wir ein Interesse daran, daß wir den Wirtschaftsstandort Bundesrepublik mit hochwertigen technologischen Erzeugnissen darstellen können“, so Ministeriumssprecher Hesse. Für ihn bietet der Transrapid eine gute Chance auf neue Exportmärkte.

Die Exportaussichten, für die es allerdings noch keinerlei konkrete Projekte gibt, werden vor allem von Thyssen immer wieder herausgestellt. Ob in Brasilien oder der Türkei, ob in den USA oder sogar der Sowjetunion: angeblich überall stehen die Verkehrsplaner Schlange, um ein Stückchen „deutscher Inge nieurskunst“ zu ergattern.

Vor dem Export muß allerdings im Inland eine Vorzeigestrecke stehen, und da klemmt's. Neuer einmütiger Favorit im Planspiel um die Streckenführung ist nach der allmählichen Beerdigung der Linie Hannover-Hamburg jetzt die Trassenführung von Essen nach Bonn. Sie soll die Flughäfen Düsseldorf und Köln-Bonn zu einem Verbundflughafen verknoten. Eine direkte Konkurrenz zum Bundesbahn wäre dabei nicht vorhanden, was die Akzeptanz deutlich erhöht. Bei dieser Streckenführung kann Forschungsminister Riesenhuber seine Formel vom Magnetzug als „Ergänzung der Bahn“ noch am ehesten vertreten.

„Allenfalls quer

durch die Wüste“

Auch Verkehrsminister Zimmermann läßt bei dieser Streckenführung mit sich reden. Die Linie Essen-Bonn, so gab er vergangene Woche die neue Sprachregelung aus, sei trotz vieler verkehrspolitischer Einwände zumindest „eine denkbare Lösung“. Zimmermanns Beamten werden sich angesichts solcher Töne die Nackenhaare sträuben. Sie haben (siehe Kasten) den Transrapid in einer grundsätzlichen Bewertung in ungewohnter Klarheit niedergemacht, auch die Strecke Essen-Bonn fand vor ihnen keine Gnade.

Die Umweltverbände und die Grünen lehnen den Transrapid nach wie vor grundsätzlich und auf allen geplanten Strecken ab. Ökologisch unverträglich, laut wie ein Tiefflieger, ökonomisch ruinös und verkehrspolitisch unsinnig, lautet das Urteil der grünen Verkehrsexperten Weiss und Meike Spitzner. „Allenfalls quer durch die Wüste“, so Weiss, mache der Transrapid einen Sinn, aber nicht in einem dichtbesiedelten Gebiet wie der Bundesrepublik und nicht als zusätzliche Konkurrenz zur ohnehin stark defizitären Bundesbahn.

In der SPD sieht es schon anders aus. „Transrapid -Skeptiker“ Wolf-Michael Catenhusen, Vorsitzender des Forschungs- und Technologieausschusses, will in der Technologiepolitik „nicht lauter Ruinen herumstehen lassen“. Nachdem bereits eineinhalb Milliarden Mark aus der Bundeskasse in den Transrapid geflossen sind, will er das Projekt „gern zum Abschluß bringen“. Der Abbruch einer einmal mit staatlichen Geldern entwickelten Großtechnik, ohne sie überhaupt auszuprobieren, hält er für problematisch, auch wenn er „massive ökologische Bedenken“ gegen den Magnetzug hat. Über eine Verbindung der Flughäfen Düsseldorf und Köln-Bonn „lasse ich mit mir reden“, sagte Catenhusen gestern der taz.

20 Jahre Bauzeit

Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Christoph Zöpel (SPD) ist da weniger kompromißbereit. Der Transrapid sei „für die Lösung der heutigen Verkehrsprobleme nicht geeignet“, glaubt er, und: die angestrebte Flughafenverbindung werde eine Bauzeit von „mindestens 20 Jahren“ erfordern. Daß die Trassenführung in der Tat kompliziert und teuer wäre, mitten durch dichtbesiedeltes Gebiet führen und erhebliche Tunnelbauten erfordern würde, ist offensichtlich. Schon jetzt meutern zahlreiche SPD -Ortsvereine längs der geplanten Streckenführung. Die Planung und Trassierung, die in Absprache mit den Kommunen getroffen werden müßte, könnte leicht zu Aufständen führen, denn auch der Widerstand gegen den Superzug „wächst (trans) rapid“, wie die 'Frankfurter Rundschau‘ jüngst notierte. Und gestern hat sich in Düsseldorf die erste einschlägige Bürgerinitiative gegründet.

Deutliche Zurückhaltung ge genüber der Flughafenstrecke Essen-Bonn kommt auch von der Lufthansa. Das Unternehmen, das eigentlich Nutznießer der transrapid herbeigeschafften Flugpassagiere sein soll, kann sich wenig begeistern. Lufthansa-Sprecher Stefan Hilscher: „Wir können nicht 20 Jahre warten, bis wir eine schnelle Verbindung der Flughäfen kriegen, wir brauchen sie heute schon.“ Schneller und vor allem billiger wäre, eine herkömmliche Bundesbahnverbindung zwischen den beiden Flughäfen herzustellen. Doch wohin dann mit dem Transrapid?

Die unkonventionellste Lösung stammt von einem Zeitungsmann. Er schlug vor, den technologischen Lückenfüller zwischen Bahn und Flugzeug doch an die Amis zu verschenken - für ihre Trasse von Orlando nach Disneyland. Dann könnte „alle Welt dorthin fahren und sich von hiesigen Ingenieurskünsten überzeugen“.

Manfred Kriener