Weltbürgerlicher Jazz in Vegesack

■ Das Uli Beckerhoff Quintett spielte mit Maria Joao

Sogar für Jazz gibt es in Bremen Nord genug Publikum, um die (oder das?) Gala zu füllen; und das zeigt, trotz all der Beschwerden der Nachbarn, daß dieses Kulturzentrum gebraucht und angenommen wird. Uli Beckerhoffs neues Quintett ist allerdings auch so hochkarätig besetzt, daß viele aus der City gekommen waren, um zu hören, wie weit es der frühere „beste Trompeter der Bremer Neustadt“ gebracht hat.

Die Band war kosmopolitisch besetzt - mit dem Australier Peter O'Mara an der Gitarre, dem Bassisten Adelhard Roidinger aus Österreich, dem Briten John Marshall am Schlagzeug und der Portugiesin Maria Joao - und so weltläufig und vielseitig klang sie dann auch.

Bei den ersten drei Stücken spielten sie noch ohne die Vokalistin einen abgeklärten, sehr sauberen Jazzrock. Manchmal schimmerte bei Beckerhoff der Einfluß von Miles Davis durch, und O'Mara mag offensichtlich John Scofield sehr gerne, aber es war nie „second hand music“: die Songs klangen frisch und alle vier spielten originelle und technisch brilliante Soli. Schon fast zu unterkühlt und ordentlich.

Maria Joao

Wärmestrom

Und so war der herausgezögerte Auftritt von Maria Joao dann ein wirklicher Gegenpol - der Wärmestrom des Konzertes.Gleich nachdem sie auf der Bühne erschienen war, änderte sich die Atmosphäre des Konzerts. Bei ihrem unbegleiteten Solo, in dem sie ihre ganz eigene Art zu singen

auf sehr spektakuläre Art vorstellte, hörten alle viel intensiver zu - sogar das nervige Geschwatze und Kassengeklingel von der Bar erstummte plötzlich. Sie dadadate, summte, trällerte, bölkte, kiekste, schrie, piepste und stöhnte ihre Jazzcolouraturen trotz des ausufernden Temperaments mit einer faszinierenden Präzision und immer körperlich. Bei ihren Bewegungen und der tanzenden rechten Hand konnte man die Musik auch sehen; und dadurch, daß die offensichtlich schwangere Frau sich hin und wieder den Bauch strich, wurde der Gegensatz zu den coolen Männern mit ihren Musikgeräten noch sinnfälliger.

Abgesehen von einem (ein bißchen wie Barmusik klingenden) Lied in der Tradition des portugiesischen Faros und dem Standard „My Favourite Things“ sang Maria Joao kaum im traditionellen Sinne. Sie „vokalisierte“ mit Vorliebe rasend schnelle und komplizierte Themen - unisono mit Beckerhoff oder O'Mara - und spielte in den Soli ihre Stimme wie ein Instrument.

Gegen Ende des Konzerts begeisterte John Marshall noch mit einigen vulminanten Kunststückchen auf dem Schlagzeug, aber für mich war eine traurig, schwebende Ballade von Beckerhoff der Höhepunkt des Abends. In diesem Stück spielten die fünf am besten zusammen mit einen eigenen, unverwechselbaren Sound. Der Song hatte noch keinen Titel und Beckerhoff bat das Publikum um Anregungen - wie wäre es mit: „Vegesacker Elegie“? Willy Taub