Dacapo mittelprächtig: Cassandra Wilson mit ..

■ ... Trio Geri Allen, Charlie Haden und Paul Motion

Cassandra Wilson, vor einigen Jahren noch aufstrebende Jazzsängerin der neuen Generation, hat sich inzwischen u.a. als Mitglied von Steve Coleman's Funkjazz-Band Five Elements und der Avantgarde-Formation New Air etabliert und leitet seit drei Jahren auch ihre eigenen Formationen. Mit Rod Williams (keyb), Kevin Bruce Harris (e -b) und Mark Johnson (dr) standen ihr Begleitmusiker zur Seite, mit denen sie schon diverse Alben eingespielt hat. Die Sängerin mit dem dunklen Timbre legt wenig Wert auf technische Kapriolen. In ihrem Scat-Gesang versucht sie nicht instrumentelle Imitationen, sondern stellt ihre melodische Phrasierung in den Mittelpunkt. Ergebnis sind gefühlvolle und relaxte Songs, für meinen Geschmack aber auch nicht sonderlich aufregend. Das mag auch am Material liegen. In ihren Kompositionen versucht sie, ähnlich wie Steve Coleman, klassische und neuere Jazzelemente mit Rock -und Funkmomenten zu verbinden, die Mischung ist mir manchmal zu gefällig. Dazu kam am Freitag abend ein matschig und verschwommen abgemischter E-Baß und ein etwas zu schepperiges Schlagzeug. Rod Williams überzeugte mich durch seine sparsame, leicht schräge Spielweise in der Begleitung mehr, als in seinen Soli, die an das Jazzrockpiano der frühen 70er erinnerten. Am besten gefiel mir deshalb „Song to the wind“, eine Komposition Cassandra Wilson's in der sie mit ausgedehntem Scat-Gesang eine Mischung aus afrobrasilianischen und karibischen Impressionen herbeizauberte. Nach einer Stunde gab's kräftigen Applaus in den überfüllten Weserterrassen und als Zugabe den „Subatomic

Blues“ vom zweiten Album Cassandra Wilson's.

Dann war erstmal Warten angesagt, zuerst steckten Allen & Co im zurückströmenden Werder-Verkehr und dann hatte Charlie Haden noch seinen Baßverstärker im Hotel vergessen. Nach einer langen Stunde gings dann endlich los. Technisches Können und interessantes Material allein machen noch kein gutes Live-Konzert, die Stimmung und Kommunikation zwischen MusikerInnen und Publikum gehören dazu.

Und die vermißte ich bei dem Auftritt von Geri Allen (p), Charlie Haden (b) und Paul Motion (dr). Die MusikerInnen wirkten extrem unterkühlt, der ganze Set wirkte auf mich wie eine Pflichtübung. Nun sind alle drei so hochkarätig, daß selbst unter solchen Bedingungen noch Hörenswertes dabei rauskommt. Paul Motion beschränkte sich bis auf ein schönes Solo (mit Besen) am Schluß auf reine Begleitarbeit. Geri Allen und Charlie Haden folgten dem immergleichen Muster: zuerst ein Piano-Solo, anschließend eines vom Baß. Geri Allen beherrscht die verschiedensten Techniken und verbindet sie in ihrer Spielweise zu einem eigenem Stil, kammermusikalische Sequenzen verbinden sich mit perkussivem Anschlag a la Monk und freien Passagen wie bei Taylor. Sie gefiel mir auch am besten. Charlie Haden gestaltete die meisten Soli, wie man sie von ihm kennt, introvertierte, melancholische Linien, in denen er sich oft selbst zitierte. Einzige Ausnahme ein schräges Solo con arco mit schwirrenden Obertönen im Schlußtitel. Der Schlußapplaus war wohlwollend, aber viele waren im Verlaufe des Sets schon gegangen.

Arnaud