Energie verkaufen oder sparen?

■ Debatte über die „Stadtwerke der Zukunft“ auf dem grünen Energie-Kongreß

Als „fortschrittlichster Stadtwerke-Chef Europas“ bekam er am Freitag solarkühlschrankgekühlten Sekt aufs Podium gereicht: Siegfried Rettich, Chef der Rottweiler Muster -Stadtwerke, diskutierte beim grünen Bremer Energiekongreß über die Aufgaben der „Stadtwerke der Zukunft“ und erklärte beifallumbraust, wie man in Rottweil „nicht mit Konsumverzicht, sondern mit Intelligenz, Technik und Kapital“ wirtschaftet. Neue Unternehmensphilosophie: Wenig Energie verbrauchen und Schadstoffe senken. Das geht dort, trotz CDU-Gemeinderat, so: Um Energie rationeller zu verwenden, sollen bereits Bebauungspläne schlau gemacht sein, Häuser und Glasfronten nach Süden ausgerichtet und wärmegedämmt und Solarenergie eingeplant werden. Im Kundenberatzungszentrum („nach Bremer Vorbild, da sind Sie bundesweit vorn!“)gibt es Infos über Kühlschränke und Waschmaschinen, die Strom und Wasser sparen.

Wirklich neu sind die Aktivitäten der Rottweiler Stadtwerke, nicht nur Primärenergie (Gas, Strom) zu liefern, sondern fertige Wärme. In Siedlungen, Gemeindezentren, Schulen, sogar Privathäusern installieren die Stadt

werke auf eigenen Kosten kleine Blockheizkraftwerke (BHKW) mit hohem Nutzungsgrad und verkaufen dann fertige Wärme an die Kundinnen, bilden kleine Nahwärmeinseln mit fünf, sechs Häusern, inklusive Wartung und Heizkostenabrechnung: Konsequenz aus der Erfahrung, daß PrivatverbraucherInnen oft eben doch nicht die ökologisch sinnvollen, aber teuren Geräte kaufen und lieber mehr Energie bezahlen.

Weit vorn sind die Rottweiler auch in der Förderung regenerativer (nachwachsender) Energien: Die Stadtwerke betreiben ein Hallenbad mit BHKW, eine Kläranlage mit Faulgas, wollen nicht nur aus Neckar und Wind Energie schlagen, sondern auch 15 Hektar „Energiewald“ anbauen, nach 5 Jahren „ernten“ und holzvergasen. Rettig unter Beifall: „Natürlich legen wir momentan noch drauf bei der Solarenergie, aber wir müssen doch mit einem Teil der Gewinne Zukunftsenergien zum Durchbruch verhelfen!“

Der Vertreter der Bremer Stadtwerke, Rolf Bauerschmidt, hatte es dagegen natürlich schwer, fand das Rottweiler Szenario aber auch „sehr eindrucksvoll“. Und: Weil in Bremen alles größer und ganz anders sei, könne

man das nicht so platt übertragen. Schließlich sei hier ein riesiger Windpark geplant, gebe es ein Fernwärme-Netz und bringe die Wasserkraft wegen der Tide nur die Hälfte ein wie normal. Und all die guten Vorschläge des Bremer Energie -Beirats (BEB) würden jetzt gründlich durchdacht.

Helmut Spitzley vom BEB drängte: „Das beste Kundenzentrum kann die Versäumnisse der Vergangenheit nicht wettmachen!“ Welche 20 Empfehlungen denn die Stadtwerke sofort, welche nie und welche später umsetzen wolle? Es gebe nicht einmal ein Fernwärme-Vorrang-Gebiet, und dringend sei ein Bremer Energie-Gesetz, das Strom und Wärme sicher, umweltfreundlich, risikoarm und gesamtwirtschaftlich produzieren lasse. Was die Stadtwerke bräuchten, sei ein „Einspar-Direktor“, dessen Erfolg an der Bedarfsvermeidung an Wasser und Energie gemessen werde. Da mußte der Bremer Stadtwerke-Vertreter schließlich Farbe bekennen: „Das klingt natürlich gut, wenn man massiv Energie und CO2 sparen will. Aber was meinen Sie, was das für eine Unruhe ins Unternehmen bringt! Was für ein Widerspruch: einen Direktor für's Verkaufen und einen für's Sparen!“ S.P