SATAN WANTS YOU

■ Zu Halloween: Nicholas Schrecks „Charles Manson Superstar“ im Eiszeit-Kino

Gibt es nach über zwanzig Jahren des totalen Medien-Hype noch irgend etwas zu Charles Manson zu sagen? Es scheint so. Schrecks Dokumentation ist es anzurechnen, daß eine Menge Mythen ausgeräumt werden. Unspektakulär werden einige Hintergründe erläutert, und ein abgeklärter Manson kommt selbst zu Wort.

Der Regisseur antwortet auf die Frage, ob der Antrieb, die Wahrheit zu zeigen, seinem Film zugrunde liegt: „Der Grund, weshalb ich die Videos begann, war, daß es um Charlie herum so viele geladene Konnotationen gibt, so viele Emotionen, die die Leute davon abhalten, ihn wirklich zu sehen. Es gibt keine objektive Wahrheit, doch ist dieser Film näher an seiner Darstellung, an seiner Wirklichkeit. Für mich war Manson wichtig als Denker und nicht als ein Krimineller. Er wurde fälschlich als 'Massenmörder‘ definiert, doch hat dies mit dem ganzen Phänomen nichts zu tun.“

Ob er ihn als Ikone des Begehrens sähe?

„Ja, er ist ein Zeichen für das Unterbewußte von Westeuropa und Amerika. Ich betrachte ihn als Schamanen oder wie einen Hexendoktor in primitiven Gesellschaften. Ob er will oder nicht, diese Rolle ist ihm zugeschrieben worden: der Archetyp des Bösen zu sein. Es spielt keine Rolle, wer oder was er wirklich ist. Er ist, was die Leute in ihn hineinprojizieren. Das ist, was 'ihn‘ erschafft. Er ist sich der Natur von Wirklichkeit mehr bewußt als viele andere, da er sich eben in dieser Position befindet.“

Wie steht es dann beispielsweise mit seinen Verbindungen zu US-Nazis?

„Er fühlt keinerlei Verbindungen zu irgend jemandem. Die Leute wollen alles immer sehr sauber und ordentlich getrennt halten - aber so ist es nicht. Eine Menge politischer Fraktionen haben sich Manson auserwählt, damit er das repräsentiere, was sie sind. James Mason ist der einzige, der einen wirklichen Kontakt zu Manson gesucht hat. Doch Mason wird selbst unter amerikanischen Nazis als 'outcast‘ betrachtet, er sei durchgeknallt, ein Satanist. Nun, das hat seinen Grund darin, daß die meisten US-Nazis Christen sind und Manson als Verkörperung des Bösen betrachten.

Doch es gibt so viele andere politische Gruppen, die von Manson inspiriert wurden. Jeder interpretiert da, wie er will. Charlie selbst ist das egal. Er steht darüber, kann es beobachten, doch es berührt ihn nicht.“

Charles Manson Superstar beginnt mit der Atombombenexplosion über Hiroshima und endet mit einem freundlich in die Kamera grinsenden Manson. Der Film zeichnet die Spuren des damaligen Geschehens mit teilweise erstmals zugänglichen Aufnahmen nach. Die Interviews mit Manson bilden einen roten Faden durch die sonst von unterschiedlichsten Exkursen geprägte Dokumentation. Gelegentlich wird dort nicht kausal-chronologisch Material zusammengetragen, sondern nach dem Prinzip der Koinzidenz vorgegangen. Der Film ist stilistisch sauber gemacht.

Schreck selbst nannte ihn Teil der „Propaganda“. Dazu ist vielleicht folgendes zu sagen. Als Produzent der Dokumentation tritt Video Werewolf auf, ebenso wie die Musikgruppe Radio Werewolf, eine Propagandatruppe des Werewolf Order. Dieser bezeichnet sich selbst als heidnisch, satanistisch und möchte sich streng von Gruppen wie dem O.T.O. oder The Temple of Psychic Youth unterschieden wissen. Schreck, der allen drei Werewolf -Organisationen angehört, weist als einzigen Bündnispartner die Church of Satan von Anton Szandor LaVey aus. Diese Gruppe predigt nicht (!!!) eine Teufelsanbetung, deren Inspiration meist lediglich von einer Opposition zur Kirche gespeist wird, sondern eine rationale Weltbetrachtung. Ich denke, daraus erklärt sich die Anwendung von Begriffen wie „Schamane“ oder „Propaganda“ in bezug auf Manson.

R. Stoert

„Charles Manson Superstar“ läuft heute noch um 23 Uhr, morgen um 20 Uhr mit anschließender Halloweenparty im Kino Eiszeit, Zeughofstr. 20, 1 Berlin 36