VIEL ZU SCHLAPP VON ZUVIEL BAP

■ Züri West aus Bern im Blockshock

Gut zwei Dutzend Leute haben sich eingefunden am Donnerstag abend im Blockshock, um das Konzert der Berner Band Züri West zu sehen, „die Hälfte davon Schweizer, die haben alle vorher angerufen und gefragt, was es kostet“, erzählt Veranstalterin Sibylle Schmidt. Armverschränkt-ungläubig betrachtet sie die Darbietungen auf der Bühne: „Wir haben die gebucht, weil das die derzeit beste Schweizer Live-Band sein soll. Wie lahm sind dann die anderen?“

Eine berechtigte Frage. Auf der Bühne stehen stocksteif fünf trotz relativer Jugend stark vergreist wirkende Kerle, sauber, anständig und schwerernst. Der Sänger, ein Mann mit dem Charisma einer Flasche Fachinger, storcht im Kreis herum, weiß nicht, wohin mit seinen Händen, fummelt an der Manschette, an der Nase, an der Hose, geht während der Stücke in den Backstage-Raum, kommt zurück, bückt sich nach einem Bier, stolziert wieder im Kreise und wünscht sich sichtlich von der Bühne. „Das nächste Stück ist ein Liebeslied. Ein trauriges, aber ein schönes“, sagt er mindestens dreimal, und jedesmal folgt ein schwerblütiges Geraune, unterlegt von ideenlos gespieltem Kumpelrock vom Schlage Klaus Lage oder BAP, zutiefst unmusikalisch und asexuell.

Insbesondere BAP scheint das größte Vorbild von Züri West zu sein, das Strickmuster jedenfalls ist identisch: Gestammel im lokalen Idiom soll Authenzität suggerieren, ältlich und tantenhaft werden Weh und Aua der Welt verkündet mit einem Pathos von der Stange und dem Gratismut dessen, der seine anständige Gesinnung immer dann vorzeigt, wenn er sich des Beifalls seiner Zuhörer sicher sein kann.

Die fünf Berner, die in der Schweiz „tonnenweise Platten verkaufen“ und dort im Range einer „heiligen Kuh, etwa so wie die Armee“ stehen, wie Kollege Guido Müntzel von der 'Berner Zeitung‘ berichtet, werden in der BRD mittlerweile von Ralph - „Ein bißchen Frieden“ - Siegel vermarktet; der Mogul des schlechten Geschmacks und des sicheren Griffs in anderer Leute Portemonnaies ist der richtige Mann für diese Band.

„Vorsicht, Dynamit!“ schreit der Sänger, da wird es dann unverschämt, drei Gitarren werden eingesetzt, um nichts damit zu erzeugen als die Aura von Pfadfinderlager und Keuschheitsgürtel, der Trommler schwankt im Timing, ein Stück ist wie das andere und die Band ist schwer ergriffen von sich selbst.

Nach einer zäh und quälend verronnenen Viertelstunde bequemen sich die Musiker zu einer etwas heftigeren Gangart, schneller wird es und roher, es sind nachgespielte Stücke, „Teenage Kicks“ von den Undertones z.B., pfeilgerade nach vorn stürmende Rock'n'Roll-Songs, aber uninspiriert kopiert wie von einer mittelmäßigen Tanzkapelle.

Züri West - der Name läßt unwillkürlich an „Züri brennt“ denken, an den Kampf um das AJZ in den Jahren 1980 bis 1983, an die Revolte und ihre Niederschlagung, an die Toten, die es gab „in der Folge polizeilicher Einsätze“, wie das in der Sprache von Ämtern und Behörden heißt, wenn richtige Polizisten richtige Menschen zu Tode bringen und von richtigen Richtern dafür freigesprochen werden: Dani, Michi, Renato und Max in Zürich zum Beispiel, oder Klaus Jürgen Rattay in West-Berlin und Günther Sare in Frankfurt.

Züri West kokettieren mit dem Image des längst gescheiterten Aufstands, verwalten den Nachlaß und bedienen den Wunsch traniger Alt-Einundachtziger, ins Sentimentale abzutauchen, die Gegenwart an die Vergangenheit zu verraten.

Dabei bringen sie noch das Kunststück fertig, nicht einen Funken der damaligen Widerstandskraft oder doch wenigstens Widerspruchslust in sich zu tragen: Die Null-Böcke hat man längst zu Kleingärtnern gemacht. „Danke“, sagt der Sänger artig nach jedem Stück, „aber nicht doch“, sagt Mutte und putzt ihm die Nase.

wiglaf droste