: Schreyer zwischen AL und Frauenpower
■ Personalentscheidung schlägt Wellen in der Umweltbehörde / Wer soll Referatsleiter werden: eine (parteilose) Frau oder ein (männlicher) AL-Politiker?
Eine interne Debatte um die Besetzung einer wichtigen Referatsleiterstelle in der AL-geführten Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz gerät, so die Einschätzung eines ÖTV-Gewerkschafters in der Behörde, zum „Politikum für die AL“. Seit vier Monaten, so klagt die ÖTV -Betriebsgruppe jetzt in einem offenen Brief an Senatorin Michaele Schreyer, sei der Posten schon unbesetzt. Hintergrund des zögerlichen Besetzungsverfahrens sei eine Zwickmühle, in der die Senatorin stecke, meinen viele Eingeweihte. Denn Schreyer muß sich entscheiden, ob sie der Frauenförderung den Vorzug geben und den Posten mit einer Frau besetzen soll, oder ob sie dem machtpolitischen Interesse nachgibt, einen Parteifreund mit der Aufgabe zu betrauen.
Während man im Umkreis der Senatorin die Debatte als „Aufgeregtheit“ abbucht, macht sich vor allem in der Frauengruppe der Umweltbehörde allmählich Ärger breit. Felicitas Kubala, die Frauenvertreterin der Behörde, bestätigte gestern auf Anfrage der taz, sie erwarte von der Senatorin endlich eine Entscheidung - für die weibliche Bewerberin. „Es ist verdammt wichtig, daß hier ein Zeichen gesetzt wird“, sagt die Frauenvertreterin, die ebenfalls der AL angehört.
Als unbestritten qualifiziert für die Leitung des Referats in der Abteilung für Stadtentwicklung, in dem die Bereichsentwicklungspläne (BEP) aufgestellt werden, gelten beide BewerberInnen. Der männliche Anwärter, ein relativ bekannter AL-Umweltpolitiker, arbeitet seit vielen Jahren als Landschaftsplaner in der Behörde. Auch die Kolleginnen halten ihm seine Vertrautheit mit der Stadt und seine Erfahrungen in punkto Personalführung zugute. Dennoch hatte die Einstellungskommission auf Vorschlag des Abteilungsleiters der weiblichen Bewerberin aus fachlicher Sicht den Zuschlag gegeben. Sie, eine westdeutsche Stadtplanerin, gilt zudem als Anhängerin einer „grünen Politik“. Politische Erfahrung hat sie dank ihrer Vorstandsarbeit in einem Fachverband.
Bei gleicher Qualifikation sollte die Frau den Zuschlag erhalten - an diesen Grundsatz will die Frauengruppe der Behörde nun ihre Senatorin erinnern. Selbst Schreyers männlicher Vorgänger, FDP-Umweltsenator Starnick, hatte das schon im Dezember 1988 in einer Dienstvereinbarung zugesagt. Es wäre eine „Sauerei“, wenn ausgerechnet die AL dieses Prinzip verletzen würde, meinen auch ÖTV-Gewerkschafter männlichen Geschlechts. Bislang sind alle sechs Abteilungsleiter in der Umweltverwaltung Männer. Nur eines der 18 Referate der Behörde, noch dazu ein vergleichsweise winziges, wird jetzt schon von einer Frau geführt. Immerhin 35 MitarbeiterInnen hat dagegen unter sich, wer den mit etwa 6.000 Mark dotierten Referatsleiterposten ausfüllen wird, um den jetzt gestritten wird.
In ihrem offenen Brief verlangt die ÖTV-Betriebsgruppe von Schreyer nicht nur, daß sie „geeignete Bewerbungen von Frauen besonders sorgfältig“ prüft; die Gewerkschaft verlangt vor allem, nicht länger zu warten und „umgehend“ die vakante Stelle zu besetzen. Hinter Schreyers Zögern vermuten manche Frauen der Behörde die Absicht, den Parteimann auf den Posten zu hieven.
Das wird in Schreyers Umgebung dementiert. Dort beharrt man darauf, daß der zuständige Abteilungsleiter seinen Vorschlag immer noch nicht in schriftlicher Form abgeliefert habe obwohl die Bewerbungsgespräche schon Mitte September abgeschlossen waren. Ein Motiv könnte der Abteilungsleiter durchaus haben, heißt es: Sein Favorit sei ein (dritter) Bewerber aus der Stadtplanungsabteilung, der schon lange auf seine Beförderung warten muß. Daß der Abteilungsleiter schon aus Eigeninteresse ungern einen AL-Mann auf dem Referatsleiterposten sähe, gilt als plausibel. Denn in diesem Fall muß er als Vorgesetzter fürchten, daß die Informationsströme an ihm vorbei und direkt zwischen AL -Spitze und AL-Referatsleiter fließen.
Für den ÖTV-Mann, der die Behörde schon lange kennt, ist es „der farbenreichste Besetzungsfall, den ich bisher erlebt habe“. Doch die Frauengruppe wird die Angst nicht los, daß die Farbe Lila im Spektrum zu kurz kommt. Die Frauen können sich nur schwer vorstellen, daß das Verfahren allein deshalb stockt, weil ein schriftlicher Bericht fehlt. „Wenn eine Senatorin etwas auf den Tisch haben will“, weiß eine Frau, „dann liegt das spätestens am nächsten Tag vor.“
hmt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen