Standbild: Rosen ohne Dornen gibt es nicht

■ Tag des Deutschen Schlagers

(Tag des Deutschen Schlagers 1989, Sonntag, 28. Oktober, ARD 20.15 Uhr) Auf jeden Fall besteht der deutsche Schlager nicht mehr auf korrektem Hochdeutsch, kaum verständliche Mundart ist inzwischen vinyl- und bühnenfähig in diesem Geschäft. Soweit zu den Neuerungen, die zum Tag des deutschen Schlagers am Samstag abend aus der Friedrichshalle in Ludwigshafen via ARD geboten wurden. Ansonsten griff man zur Wochenendunterhaltung zurück in die Erinnerungskiste vergangener Showjahrzehnte: mit Treppe für den Auftritt und Blumen links und rechts, eine Band im Smoking mit swingendem Chef, ein Chor, gemischt, und Lalala für alles und jeden, eine veritable Miss Germany assistiert, ein Publikum, begeistert und voll Dankbarkeit, und ein jovialer Moderator

-fast so wie im Fernsehen der DDR.

Der Anlaß fürs Ganze strotzte phallisch auf der Bühne, die goldene Stimmgabel. Einmal pro Jahr wird sie verliehen, für „besondere Verdienste“, für „Newcomer“, für „beste Interpretin“ und noch so ein paar Sachen mehr, ganz Genaues erfährt man nicht über die vielen Sparten, und auch nichts darüber, wer da eigentlich wem was zuschustert. Aber sicher sind es jene wenigen Aufrechten, die es noch gut meinen mit dem deutschen Schlager: ein Unterhaltungschef vom Rundfunk, ein treues Publikum mit Minderheitengefüge und ein Chef, der fest steht wie ein Felsen in der Brandung, Bühnenmeister Dieter Thomas Heck. Und der beendete auch die Definitionsmisere des Gewerbes: „Ein Lied, das ankommt, ist ein Schlager. Ein Lied, das mehrere tausendmal über den Ladentisch geht, ist ein Hit. Und ein Lied, das die Menschen auf der Straße singen, ist ein Volkslied.“

Danach gibt es keine weiteren Fragen mehr, und die Sieger präsentieren sich, mal mit weanerischen Schmäh (Rainhard Fendrich), mal bayerisch-bodenständig (Nicki, das Original Naabtal Duo), mal friesisch-debil (Klaus & Klaus). Dazu ein bißchen Feminismus zum Mitklatschen (Hanne Haller), gestandener Feuilleton-Schlager (Gitte Haenning), Supermarkt -Musikteppich (Dieter Bohlen) und Nostalgie mit grauen Schläfen (Vico Torriani, Gerhard Wendland). Nicht zu vergessen ein richtig guter Schlagerinterpret, Roy Black, und das ewige Enfant terrible, Ricky Shayne, der sich noch immer weigert, sowas Profanes wie eine Hose zu tragen, ein Samurai-Kostüm war es diesmal.

Nur strahlende Gesichter gab es zu sehen, schließlich standen alle als Sieger auf der Bühne, und als trotziger Beweis, daß das Geschäft noch lange nicht tot ist. Vergessen waren die Zeiten der Entbehrung ohne Aufmerksamkeit und Auftritte, außer in der Diaspora Kerkrade, ein kleines Kaff im niederländischen Limburg, der einzige Ort, wo jedes Jahr noch ein deutsches Schlagerfestival abgehalten wird. Für einen Abend war die wahre Welt des deutschen Schlagers wieder in Ordnung.

Elmar Kraushaar