Für einen Knast ziemlich offen

■ 10 Jahre 'Offener Vollzug‘ / Die Regel ist die Ausnahme / Freigänger-Problem: Arbeitsmarkt

Es ist paradox. Rechts steht die Ausnahme: gewaltig groß und graudüster, mächtig bewehrt mit Mauer und Nato-Draht, gebaut für massenhafte Verwahrung: der Oslebshauser Knast. Links daneben, was die Regel sein sollte: klein, fast freundlich mit Holz, Klinkern und grüner Farbe gestaltet, mit Maschen -statt Natodraht: die 'Offene Anstalt‘ am Fuchsberg für wenige Ausgesuchte. Knast als Verwahrung soll, so das Gesetz seit 1977, die Ausnahme sein, offener Vollzug die Regel. Die Wirklichkeit ist umgekehrt. Nur etwa 100 Gefangene sind am Fuchsberg untergebracht, fast 400 sind direkt nebenan im Oslebshauser Knast aus dem vorigen Jahrhundert weggeschlossen.

Zum 10jährigen Geburtstag der offenen Anstalt gab es gestern im Gemeinschaftspavillion eine Feierstunde mit Senator, Saft und Sonntagsreden. 'Offener Vollzug‘ bedeutet: Ein Jahr vor dem möglichen Entlassungstermin können Gefangene auf Antrag (40 % werden abgelehnt) raus aus dem Massenknast und in einen der Pavillons verlegt werden. Darüber entscheiden Anstaltsleiter und Psychologe. Statt Sühne und Strafe sollen durch Einbeziehung der Lebensbedingungen draußen künftige Straftaten vermieden werden. Justizsenator Volker Kröning nannte Erfolgszahlen: 99 Prozent der Knackis kamen

nach gewährtem Ausgang freiwillig zurück; von den insgesamt 2.231 Knast-Urlaubern blieb gar kein einziger weg. Tagsüber können sich die Gefangenen auf dem Gelände frei bewegen, sich besuchen, sich auch selbst verpflegen. Für die Frauenabteilung (!) gibt es eine eigene Waschmaschine. Nach dem Modell Fuchsberg soll ab 1990 auch mit der Umgestaltung in Richtung Wohngruppen-Vollzug in Oslebs begonnen werden. Einige Gefangene arbeiten zum üblichen Knast-Hungerlohn auf dem Gelände, in inzwischen drei Pavillons wohnen „Freigänger“, die eine Arbeit und reguläre Bezahlung außerhalb haben und nur zu Wochenenden und über Nacht eingeschlossen werden. Mit dem verdienten Geld, darauf wies der Festredner und Opferforscher Prof. Schneider aus Münster hin, können Schulden abbezahlt und Täter-Opfer-Ausgleiche versucht werden: „Arbeit und Urlaub sind keine Vergünstigungen, sondern dringend notwendige Maßnahmen!“ Als „Beruf“ und als Grund für Freigang gilt auch Familienarbeit: Wer etwa ein Kind zu versorgen hat, Frau oder Mann, kann dies tagsüber tun und wie zu jeder Arbeit die Anstalt verlassen.

Ziemlich viele Gefangene, nämlich rund ein viertel, schaffen es im Offenen Vollzug nicht und werden schließlich „wegen mas

siven Fehlverhaltens“, so Anstalts-Leiter Peter Grigun, zurück hinter Mauer und Gitter geschickt. „Mehr Mut zum Risiko“ wünschte den Entscheidungsträgern Prof. Schneider, nach eigenem mehrfachen Bekunden ein international aktiv und Verfasser eines so einschlägigen wie dicken Standardwerks, „vielleicht werden zu viele zu schnell zurückgeschickt, vielleicht sind die Krite

rien zu streng.“

Hauptsorge ist derzeit der Arbeitsmarkt, der für die meist ungelernten Knackis nichts hergibt außer skandalös minderbezahlten Jobs, die die Anstalt zu Recht ablehnt. „Gäbe es mehr Arbeit draußen“, so der stellvertretende Anstaltsleiter Reinhard Peter, „könnten wir mehr Gefangene hier aufnehmen.“ Susanne Paa