„Er wollte sie nur mißhandeln“

■ Viereinhalb Jahre Knast plus Entziehungskur für einen „minderschweren Fall“ von tödlicher Männergewalt

Am 29.12.1989 starb Rosemarie Clement. An ihrem Körper war praktisch nichts unverletzt. Der Nierenbereich traumatisiert, der ganze Körper voller Hämatome, das Zungenbein gebrochen, der Schädel teilweise ohne Haare, die in großen Büscheln in der Wohnung verstreut lagen. Tödlich war letztendlich eine Gehirnblutung. Zweimal zwei Stunden hat ihr Lebensgefährte Rolf-Dieter M., Alkoholiker wie sie, auf sie eingeschlagen. Am nächsten Morgen versuchte er, sie zu wecken. Erst goß er ihr Wasser ins Gesicht, dann hielt er der Toten ein Feuerzeug gegen den Fuß. Ein Umstand, der Rolf -Dieter M. in der strafrechtlichen Würdigung der

großen Strafkammer Bremen zugute kam. Denn, so die Logik des gestern verkündeten Urteils, wer Tote mit Feuerzeugen wecken will, kann sie nicht zuvor mit Absicht totgeschlagen haben. Und auch für ein zweites Kriterium, das den Tatvorwurf Totschlag rechtfertigen könnte, konnten sich die Richter nicht entscheiden. Frage: Hat er den Tod billigend in Kauf genommen? Antwort des Gerichtes: Nein. Begründete Richter Harald Schmacke wörtlich: „Er hat sie immer geschlagen, und es ist nie etwas passiert.“ Und: „Er wollte sie nur mißhandeln.“ Zweite Logik des Schwurgerichts im Klartext: Wenn du deine Frau totschlägst, ist es straf

mildernd, sie vorher regelmäßig zu mißhandeln. Die juristische Wertung, nachdem Totschlag ausgeschlossen war: Körperverletzung mit Todesfolge in einem minderschweren Falle. „Minderschwerer Fall“ deshalb, weil M. bei der Tat betrunken, vor der Polizei geständig und vor Gericht reumütig gewesen sei. Schmacke: „Das hat er nicht gewollt, die Frau zu erschlagen.“

Die Unklarheit über die juristische Wertung des Falles hätte beinahe ein weiteres Menschenleben gefordert. Der gerichtsmedizinische Gutachter Jobst von Karger hatte nämlich zunächst im Januar behauptet, Rosemarie Clement sei gar nicht an den Folgen der

Schläge gestorben, sondern an einer Alkoholvergiftung in Verbindung mit einer Zuckerkrankheit. Daraufhin wurde Rolf -Dieter M. aus der Untersuchungshaft entlassen, weil, so die Begründung, U-Haft beim verbliebenen Tatvorwurf Körperverletzung nicht aufrecht erhalten werden könne. Bei einer Entziehungskur in Sebaldsbrück lernte er eine Frau kennen, mit der er am 18. Mai dieses Jahres nach Oldenburg zog. 14 Tage später mißhandelte er die neue Lebensgefährtin. Richter Schmacke gestern: „Die Frau kann von Glück sagen, daß sie mit dem Leben davonkam.“ Folgerung: „Er hat aus der Tat gar nichts oder ganz wenig gelernt.“

Angesichts der Oldenburger Tat schöpften die Richter den Strafrahmen für Körperverletzung mit Todesfolge fast ganz aus und verurteilten M. zu viereinhalb Jahren Knast. „Sie werden zunächst mal drei Jahre in Oslebs verbringen, damit sie klar werden, was sie angerichtet haben“, verkündete Schmacke. Im Anschluß muß Rolf-Dieter M., der von seinen 45 Lebensjahren bereits 10 hinter Gittern zubrachte, eine zweijährige Entziehungskur durchlaufen, von deren Erfolg es abhängig ist, ob er danach die restlichen eineinhalb Jahre absitzen muß. Rolf-Dieter M. verzichtete noch im Gerichtssaal auf Rechtsmittel.

hbk