Volleyball mit Netz und doppelter Axt

In Berlin-Kreuzberg fand mit mehr als 100 Frauen das „1. Internationale Lesben-Volleyballturnier“ statt  ■  Aus Berlin Karin Figge

Vergangenes Wochenende bot sich der neuen Lohmühlenhalle an Kreuzbergs Mauer ein ungewohnt farbenfrohes Bild: Während draußen auf dem Fußballplatz halbwüchsige Jungs dem Ball träge hinterherstolperten, wärmten sich in der Halle mehr als 100 Frauen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren gutgelaunt und in leuchtend bunter Sportkleidung für das „1. Internationale Lesben-Volleyballturnier“ auf. War das Lesben -Volleyballturnier bereits in der Vergangenheit fester Bestandteil der alljährlichen Lesbenwoche, so ist der internationale Rahmen dieses Jahr neu.

„Uns fiel im April auf dem diesjährigen Kölner Internationalen Schwulen- und Lesbenturnier auf, daß solche Turniere immer nur international sind, wenn sie von Schwulen organisiert werden“, erzählt Birgit (33), Trainerin der Lesben-Volleyballgruppe „Immerhin“, die das Wochenendturnier auf die Beine gestellt hat. Da in Köln Schwule gegen Lesben gespielt hätten und die Siegergruppe über Vorentscheidungen ermittelt wurde, wären zudem die Lesben schon immer nach der 2. Runde rausgeflogen. „Nach zehn Minuten hätten wir jedesmal nach Hause fahren können“, erzählt Birgit. Ausnahme sei nur das Mixturnier gewesen - eine Art von Freundschaftsspielen am Anfang - in dem Schwule und Lesben zusammengespielt hätten.

Das Mixturnier

Die Idee des Mixturnieres - diesmal allerdings nur für Lesben - haben die Veranstalterinnen für ihr erstes internationales Turnier übernommen. „Wir haben dafür die Gruppen nach Spielstärke und nicht nach Herkunft zusammengestellt“, so Birgit. Ziel sei es, daß sich die einzelnen Lesbengruppen besser kennenlernten und die Spielkonkurrenz nicht auch noch nach dem Spiel bestünde. „Es sind hier einige blutige Anfängerinnen, die nicht gleich am ersten Tag rausfallen sollten“, ergänzt Silke (25), die ebenfalls zur Gruppe „Immerhin“ gehört, deren Name zustandekam, weil sich die Frauen bereits in sehr frühem Anfängerstadium an Turnieren beteiligten. Wegen der unterschiedlichen Spielstärke habe es, wie Silke erzählt, auch „kein K.O.-System mit Vorentscheidungen“ gegeben. Alle Gruppen spielten alle drei Runden, die besten zwei kamen in die Endrunde.

Über andere Lesbenprojekte hatten sich die Organisatorinnen Auslandsadressen besorgt, und fast wären sogar Frauen aus San Francisco gekommen - wäre nicht das Erdbeben gewesen. Angereist sind jedoch Frauen aus Belgien, Italien und Frankreich. „Es ist ein ganz neues Gefühl, all diese Frauen zusammen zu sehen“, schwärmt Anna (25) aus Verona, während sich ein Stückchen weiter die nächste Frauschaft lachend auf die Hände klatscht und Glück wünscht, Frauen sich am Rande liebevoll zwischen den Spielen begrüßen. Lesben gäbe es in Annas Heimatstadt genug, zu zeigen wagten sie sich jedoch kaum. Ein großes öffentliches Lesbenturnier wie dieses könne sie sich in ihrer Heimat nicht vorstellen. Anna gehört zusammen mit wenigen Lesben und Schwulen zur Untergruppe eines Kulturprojekts.

Auch Nathalie (33) aus Paris kennt kein ausschließlich lesbisches Projekt. Sie hat nach ihrer Fahrt zu den „Gay Games '86“ in San Francisco die einzige Gesellschaft für Schwule und Lesben in Paris gegründet, zu der auch zahlreiche Sportgruppen wie zum Beispiel die Volleyballgruppe gehören.

Neu an diesem Lesben-Volleyballturnier ist auch die umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit im Vorfeld gewesen. „Wir haben den Anspruch, nicht mehr im verborgenen zu spielen, ins normale Geschehen integriert und so auch von der Öffentlichkeit wahrgenommen zu werden“, meint Birgit, die es wichtig findet, daß sich Lesben mit der Heterawelt auseinandersetzen. Bisher sei die Gruppe immer so etwas Privates, Verschwiegenes gewesen. Etliche hätten in der Vergangenheit in den üblichen Volleyball-Ligen gespielt, „wo alle von ihrem Freund erzählen, während Du Deine Freundin nicht erwähnen kannst, weil du sonst nicht 'normal‘ wärst“. Leistungsdruck und ein dogmatisches Trainer-Spielerin -Verhältnis ließen viele Frauen nach Alternativen suchen.

„Immerhin“ gehört deswegen ebenso wie die Lesben -Volleyballgruppe „Kleiner Halbkreis“ zu dem vor wenigen Monaten gegründeten Verein „Seitenwechsel“, dem ersten Frauen/Lesben-Sportverein in Berlin-West. „In unserem Verein ist es einfach eine Selbstverständlichkeit, mit lesbischen Frauen zusammenzuspielen, unser Zusammenhalt ist auch viel stärker“, erzählt eine Frau von „Kleiner Halbkreis“, dessen Frauen extra für dieses Turnier türkisfarbene T-Shirts mit einer rosa Doppelaxt und einem weißen Volleyball tragen. Sie, die sich auch als politische Gruppierung verstehen, finden es super, „beim Mixturnier mit wildfremden Frauen zusammenzuspielen“, beim abendlichen Buffet auch Lesben aus anderen Städten und Ländern kennenzulernen. Wenn das Geld reicht, steht das nächste Ziel schon fest: Möglichst zusammen wollen die Frauen von „Immerhin“ und „Kleiner Halbkreis“ an den „Gay Games 1990“ im kanadischen Vancouver teilnehmen.