Ein Denkzettel für Spaniens Sozialisten

Mit einem einzigen Sitz kann die regierende Sozialistische Arbeiterpartei ihre absolute Mehrheit behaupten / Die von den Kommunisten dominierte „Vereinigte Linke“ konnte die Zahl ihrer Abgeordneten mehr als verdoppeln / Nicht die Spur einer Chance für die Grünen  ■  Aus Madrid Antje Bauer

„Recht geschieht es ihnen“, freute sich der alte Mann auf der Wahlfete der Linkskoalition „Izquierda Unida“ und schlug zur Bekräftigung die linke Hand auf den angewinkelten rechten Arm. Es war Sonntag nacht, und ein sichtlich schlechtgelaunter Vizepräsident Alfonso Guerra hatte soeben bekanntgegeben, die regierende Sozialistische Arbeiterpartei PSOE habe bei den Parlamentswahlen die absolute Mehrheit knapp verfehlt. Doch vier Stunden später schlug das Pendel ebenso knapp, aber definitiv in die andere Richtung aus: Mit einem einzigen Sitz konnten die Sozialisten die absolute Mehrheit retten - vier weitere Jahre sozialistischer Alleinherrschaft stehen bevor.

Doch die Wahlergebnisse zeigen eine Veränderung im politischen Panorama: Mit 39,5 Prozent der Stimmen hat die PSOE im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen 1986 4,5 Prozent und acht Sitze im Kongreß eingebüßt. Von 350 Kongreßsitzen hält sie jetzt nur noch 176. Die von der PSOE abgefallenen Wähler haben ihre Stimmen zum größten Teil der von der kommunistischen Partei PCE dominierten Linksunion Izquierda Unida gegeben, die von 4,6 auf 9,5 Prozent aufstieg und die Zahl ihrer Abgeordneten von sieben auf 17 mehr als verdoppelte. Leicht zugelegt hat auch die konservative „Volkspartei“, die mit ihrem frischgekürten Kandidaten Jose Maria Aznar zum ersten Mal seit Jahren aus der Talsohle herauszufinden scheint und mit 106 Kongreßsitzen einen hinzugewonnen hat.

Dritte Kraft - vor der Vereinigten Linken - ist mit 18 Sitzen die rechtsnationalistische katalanische Partei Convergencia i Unio; weiterhin auf dem absteigenden Ast befindet sich hingegen das politische Chamäleon „Soziales und Demokratisches Zentrum“ CDS des ehemaligen Regierungschefs Adolfo Suarez, dessen Wähler ihm das Geplänkel mit den Konservativen nicht verziehen haben, das im Frühjahr zur Ersetzung des Madrider PSOE-Bürgermeisters durch einen CDS-Mann geführt hatte. Der CDS sackte von 9,23 Prozent (1986) auf 7,91 ab und hält nur noch 14 Kongreßsitze. Leichte Verluste verbuchte auch die ETA-nahe Koalition Herri Batasuna, die ihren Sitz in der Provinz Navarra verlor. Nachdem der Dialog zwischen Regierungsvertretern und ETA-Mitgliedern im vergangenen Frühjahr gescheitert war und die ETA wieder zum Mittel der Attentate griff, hatten die übrigen baskischen Parteien ihren Wahlkampf deutlich gegen Herri Batasuna ausgerichtet, und baskische Bischöfe hatten dazu aufgerufen, die Stimme keiner Partei zu geben, die die Gewalt befürworte. Wieder einmal erfolglos bleiben die Grünen, die nur 0,7 Prozent erhielten. Zum Desinteresse der Spanier an Ökothemen war im Wahlkampf die verwirrende Auseinandersetzung der „Grünen Liste“, die mit den europäischen Grünen assoziert ist, mit den „Verdes Ecologistas“ hinzugekommen, die einer rechten Sekte entstammen.

Die spanische Presse war sich gestern darin einig, im Wahlergebnis den Wunsch der Spanier nach einer starken Regierung angesichts der wirtschaftlichen Herausforderung durch den Binnenmarkt ab 1992 zu sehen; andererseits wurde es als Warnung an die PSOE-Regierung gewertet, den bisherigen autoritären Regierungsstil aufzugeben und den Dialog sowohl mit den anderen Parteien als auch mit den Gewerkschaften zu verstärken. Kommentar auf Seite 8