Gandhi gegen Gandhi

Indische Opposition bietet Rajiv Gandhi mit dem Enkel des Mahatma Paroli  ■  Aus Neu-Delhi Henri Rudolph

Mit einem Paukenschlag hat Indiens Opposition den Wahlkampf für die Parlamentswahlen am 22. und 24.November eingeleitet. Gegen den Enkel Nehrus, Premierminister Rajiv Gandhi, tritt nun Rajmohan Gandhi, Enkel des hochverehrten Mahatma, an. Beide bewerben sich um die Stimmen im nordindischen Wahlbezirk Amethi. Das Lager der regierenden Kongreßpartei reagiert mit Gelassenheit und baut darauf, daß Rajmohan unter der Bevölkerung weitgehend unbekannt ist. Tatsächlich hat der 54jährige Historiker, Schriftsteller und Journalist bislang eher zurückgezogen gelebt. Um so aufmerksamer verfolgte die Öffentlichkeit seinen ersten Auftritt: Der Glaube an seinen Sieg in Amethi sei „ein Glaube an den Triumph der Macht des Willens über die Macht des Geldes, der Kraft des Volkes über die Macht des Staates sowie der Kraft des Geistes über die der Muskeln“.

Für die nun vorgezogenen Parlamentswahlen sind hierzulande mindestens fünf Gründe zu hören. Erstens schlagen die Beschuldigungen, Rajiv Gandhi bzw. seine Partei hätten aus einem Geschäft mit der schwedischen Rüstungsfirma Bofors beträchtliche Summen abgezweigt, immer höhere Wogen. Zweitens nimmt das Inflationstempo rasant zu. In den letzten Monaten haben sich die Preise für Zucker, Tee, Hülsenfrüchte und Gemüse verdoppelt. Von Tag zu Tag wird es schwieriger, sogenannte kommunale Gewalttätigkeiten unter Kontrolle zu bekommen. So starben in Bihar seit vergangener Woche über 144 Menschen bei Moslem-Hindu-Auseinandersetzungen. Der Terror in Punjab ist sprichwörtlich. Noch steht der Kongreßpartei kein homogener Oppositionsblock gegenüber. Und schließlich sollen der fünfte Todestag Indira Gandhis kurz vor den Wahlen sowie Nehrus 100. Geburtstag die Entscheidung der rund 500 Millionen Wahlberechtigten vorprogrammieren. Ob diese Rechnung allerdings aufgeht, wagen nicht einmal die indischen Astrologen zu prophezeien.