Vom Tellerwäscher zum Japaner

Mitsubishi kauft amerikanischen Rockefeller-Konzern für 846 Millionen Dollar / Sorgen um die „Seele Amerikas“ und das „Gesicht Manhattans“ / Beruhigungspille: Management bleibt im Amt  ■  Von Ch. Yamamolo und G. Blume

Tokio (taz) - „Es gibt keine Geschäftsadresse in der Welt, die den gleichen Stempel trägt wie das Rockefeller Center in New York.“ Vermutlich würde die Mehrheit der US-Amerikaner diesen Satz bedenkenlos unterschreiben. Auf den Lippen von Jotaro Takagi, Vorsitzender des Immobilienzweiges des Mitsubishi-Großkonzerns, zeugt die Phrase eher von Understatement. Mit leiser, zurückhaltender Stimme verkündete Takagi gestern in Tokio das unmögliche Ereignis: Mitsubishi kauft Rockefeller.

Es handelt sich um keinen beliebigen Firmenaufkauf. Die Rockefeller-Gruppe zählt zu den größten Familienunternehmen der Welt beziehungsweise zu den größten Immobilienunternehmen der USA. Zu ihrem Besitz gehören 14 Hochhäuser in Manhattan, unter ihnen das weltberühmte Rockefeller Center.

Annähernd 1,6 Milliarden D-Mark (846 Millionen US-Dollar) überweist Mitsubishi-Immobilien in den nächsten Tagen an verschiedene Familien-Trusts der Rockefellers. Dafür erwirbt der japanische Konzern 51 Prozent aller Aktien der Rockefeller-Gruppe. Rockefeller-Aktien sind an den Börsen bisher nicht notiert.

Mit allergrößter Vorsicht und sorgfältiger Wortwahl gaben Mitsubishi und Rockefeller ihr Geschäft in Tokio bekannt. „Der Kauf von Aktien sollte keine schlechten Auswirkungen auf die japanisch-amerikanischen Beziehungen haben. Unser Ziel ist es, mit der Entwicklung der Rockefeller-Gruppe einen Beitrag für die amerikanische Gesellschaft zu leisten“, versuchte Mitsubishi-Immobilienchef Takagi der Kritik vorzubeugen. Raymond Pettit, Finanzleiter der Rockefeller-Gruppe, stimmte zu: „Es handelt sich ganz einfach um eine Partnerschaft zwischen zwei sehr angesehenen Firmen. Das hat nichts mit dem Ausverkauf einer Gesellschaft, wie im Fall von Sony und Columbia Pictures, zu tun.“

Nach dem Aufkauf der Hollywoodfilmgesellschaft Columbia -Pictures durch den japanischen Elektronikkonzern Sony war es in den USA - erstmals nach einem solchen Transfer - zu heftigen Protesten gekommen. „Sony kaufte einen Teil der Seele Amerikas“, schrieb 'Newsweek‘ damals im US -amerikanischen Zeitgeist. Entsprechend kommentierte die 'New York Times‘ gestern den Rockefeller-Deal. „Von Hollywood bis Manhattan“ würden japanische Unternehmen US -amerikanischen Grund und Boden aufkaufen, warnte die angesehene Tageszeitung. Gleichzeitig sorgte sich das halbstaatliche Fernsehen NHK in Tokio um das „verletzte Nationalgefühl der Amerikaner“.

Ihr Augenmerk werden die US-Bürger vor allem auf das stolze Rockefeller Center im Herzen von Manhattan legen. Vor seiner Haustür liegt eine Steinplatte, die das Gebäude als „nationalhistorisches Denkmal“ ausweist. Das Rockefeller Center gilt als das „Gesicht Manhattans“. Ebenso berühmt ist der Familienname Rockefeller. „Unsere Übereinkunft mit Mitsubishi trägt unserer Verpflichtung gegenüber dem Rockefeller Center und der Stadt New York Rechnung, die mein Vater vor fünfzig Jahren einging und der sich unsere Familie heute noch verbunden fühlt“, bemerkte David Rockefeller, Sohn des legendären John Rockefeller, gestern in New York. Großzügig verfügte Mitsubishi am gleichen Tag in Tokio, daß das bisherige Management von Rockefeller im Amt bleibe. Mitsubishi bestätigte allerdings nicht ausdrücklich, daß David an der Spitze des Unternehmens bleibt. Vielleicht überlegt Jotaro Takagi ja noch.